Normalerweise geht der Friedensnobelpreis an Einzelpersonen oder Gruppen – so war UNICEF schon 1965 Gewinner des Friedensnobelpreises. Doch letzte Woche gab es Überlegungen, ihn den Kindern einer gesamten Nation zu verleihen.
Das "Colombia's Children's Peace Movement" kann auf eindrucksvolle Leistungen verweisen. Vor zwei Jahren haben 2,7 Millionen Kinder in einem Volksbegehren dafür gestimmt, daß die Erwachsenen den Bürgerkrieg beenden. Beeindruckt von der Organisation und den Ergebnissen, hat der Friedensnobelpreisträger von 1996, Jose Ramos Horta, die Bewegung der Kinder dem Nobelpreis-Komitee für den heurigen Friedensnobelpreis vorgeschlagen, der dann aber an John Hume und David Trimble ging.
Die UNICEF-Direktorin Carol Bellamy gratulierte den beiden Gewinnern für ihren Beitrag zum Friedensprozeß in Nordirland. "Ihre Behutsamkeit und Diplomatie bei den Bemühungen, zwei verhärtete Fronten nach Jahren des erbitterten Konfliktes zusammenzubringen, ist beispielgebend für alle, die derzeit weltweit nach Lösungen für ähnlich schwierige Konflikte suchen.
Es muß aber auch dem Nobelkomitee gratuliert werden, daß es geholfen hat, die Aufmerksamkeit der Welt auf das "Colombia Children´s Movement for Peace" zu richten, dessen Nominierung eine Anerkennung des unglaublichen Potentials der Kinder als Friedensstifter in der Welt von heute ist."
Die Nominierung des "Children´s Movement" als ernstzunehmender Mitbewerber um den Friedensnobelpreis sei ein Signal an alle Nationen, die sich in Konfliktsituationen befänden, sagte Carol Bellamy. "In vielen Konfliktsituationen, wo Erwachsene es verabsäumt haben Frieden zu schaffen, wird es verstärkt die Einbeziehung der Kinder und jungen Menschen erfordern, einen Umschwung herbeizuführen."
Bellamy sagte, daß die jungen kolumbianischen Friedensstifter die Ideale der Konvention für die Rechte des Kindes, des weltweit am öftesten ratifizierten Menschenrechtsabkommens, veranschaulichen. "Die Konvention betont, daß Kinder zu Frieden, Würde, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Zusammengehörigkeitsgefühl erzogen werden sollen. Die Kinder von Kolumbien, die mit unerträglicher Gewalt konfrontiert sind, haben bemerkenswerte Resultate erzielt."
UNICEF Kolumbien war seit dem Beginn in die Kampagne der Kinder Kolumbiens stark involviert. Im Oktober 1996 hat das "Children´s Movement for Peace" geholfen, Kinder aus Städten mit den höchsten Gewaltraten Kolumbiens zu mobilisieren, um in einer besonderen Wahl über das Mandat der Kinder nach Frieden und Rechte abzustimmen. Die Kinder sollten wählen, welches ihrer Rechte
für sie selbst und ihre Gemeinden am wichtigsten sei.
Zuerst dachte man noch an eine Wahlbeteiligung von nicht mehr als 300.000 Kindern, doch die Bewegung wuchs so rasch, daß schließlich mehr als 2,7 Millionen Kinder zwischen 7 und 18 Jahren wählten – das entspricht ungefähr einem Drittel dieser Altersgruppe Kolumbiens. Die Beteiligung in vielen Städten mit besonders vielen Gewalttaten, betrug mehr als 90 Prozent.
Die Kinder stimmten in überwältigender Weise für das Recht auf Leben und das Recht auf Frieden. Dieses Resultat erschütterte das Land.
Ein Jahr später kamen über 10 Millionen erwachsene Kolumbianer zu den Wahlurnen (verglichen mit den rund 4 Millionen, die in den vorausgegangenen Präsidentschaftswahlen von 1994 gewählt haben, eine besonders hohe Beteiligung), um eine Abstimmung für Frieden zu unterstützen, die eine Stärkung des Mandates der Kinder beinhaltete, das die Greueltaten des Krieges verurteilt und ihre persönliche Verpflichtung zur Schaffung von Frieden verspricht.
Als ein Resultat wurde Frieden das Hauptthema beim Päsidentschaftswahlkampf 1998 und wurde zur Priorität unter der Regierung von Andres Pastrana.
Trotz der andauernden Gewalt haben die beiden wichtigsten Guerillagruppen, die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) und die Nationale Befreiungsarmee (ELN) die Bedeutung dieser beiden Mandate erkannt und sich zu Friedensgesprächen im November bereit erklärt.
Nachdem Frieden ins Zentrum der nationalen Politik gerückt ist, ist das "Children´s Movement for Peace" verstärkt auf Gemeindeebene tätig, um hier zu helfen, den Grundstock für einen langfristigen Frieden zu schaffen. Hunderte von Organisationen, Gemeindegruppen und Stadtverwaltungen haben auf die Forderungen des Mandats der Kinder nach dem Recht auf Leben und dem Recht auf Frieden reagiert – und sie sehen die Kinder als echte Partner bei den dahingehenden Bemühungen.
Die Kinder, die am stärksten bei "Children´s Movement for Peace" beteiligt waren, verschaffen sich besonders deutlich Gehör und sprechen nachhaltig über die Situation in ihrem Land. Viele von ihnen haben Gewalt persönlich erfahren müssen.
Juan Elias Uribe ist jetzt 16 Jahre alt. Mit 14 Jahren wurde er Gründungsmitglied der Kinderbewegung. Aber mitten in seinen frühen Bemühungen um Frieden wurde sein Vater Opfer eines Mordanschlages. Juan Elias erkannte, daß er nicht den für die meisten Kolumbianer üblichen Weg der Rache und damit der Gewalt gegen die Mörder seines Vaters einschlagen konnte. Er mußte den friedlichen Weg wählen.
"Zuerst, als mein Vater ermordet wurde, dachte ich, daß meine ganze Arbeit für den Frieden nichts wert sei, weil ich ihn damit nicht retten konnte. Doch mein Vater wollte immer, daß ich für den Frieden tätig bin und ich wollte nicht, daß auch andere Kinder diesen Alptraum mitmachen müssen. Schließlich hat mich der Tod meines Vaters nur stärker angetrieben. Ich glaube, daß ich jetzt eine realistischere Haltung zu Frieden habe."
Farlis Calle, 17, beginnt jetzt an der Universität von Bogota zu studieren, doch ihr Zuhause und das ihrer Eltern und drei Schwestern ist ein kleines Holzhaus in Apartado im Nord-Westen Kolumbiens, nicht weit weg von der Küste. Farlis beschreibt den Einfluß von Gewalt auf ihre Gemeinde. 1996, als sie 15 Jahre alt war, wurde sie der erste Kinderbürgermeister der Stadt, nachdem sie und einige andere Schüler entdeckt hatten, daß sie ein verfassungsmäßiges Recht haben, eine lokale Kinderregierung zu gründen. Sie gründeten das "Children´s Movement for Peace" in Apartado, durch das hunderte Kinder in die Aktivitäten der Gemeindeverwaltung einbezogen werden konnten. Farlis weiß, daß es in Kolumbien gefährlich sein kann, für den Frieden zu arbeiten, aber sie fühlt, daß sie keine andere Wahl hat.
"Ich spreche mich niemals gegen eine besondere Gruppe aus. Ich weiß, wenn ich das tun würde, würde ich zum Ziel. Alle Kinder in der Friedensbewegung wissen, daß sie vorsichtig sein müssen, bei dem was sie sagen. Das ist nicht schwer. Wenn du mit der Angst lebst, ist Schweigen natürlich. Wir beschreiben die Gewalt, aber wir wissen nicht, wer für diese schrecklichen Taten verantwortlich ist."
Mayerly Sanchez, 14, lebt in einer armen Gemeinde südlich von Bogota. Die Probleme mit denen sie leben muß, resultieren aus der Gewalt in den Städten zwischen rivalisierenden Gangs und innerhalb der Familien. Sie organisierte ein Treffen von Eltern und Kindern, um die Gewalt in den Familien zu diskutieren. Ihre Erfahrungen haben sie gelehrt, daß der Einfluß der Kinder das Verhalten von Erwachsenen beeinflussen kann.
Kinder haben die besondere Gabe, Leute davon zu überzeugen, was in Wahrheit geschieht. Leute kümmern sich niemals um Krieg, solange sie nicht direkt davon betroffen sind, aber wenn Kinder über Schmerzen und Sorgen berichten, können wir die Erwachsenen dazu bringen, den Schmerz wie ihren eigenen zu fühlen. Kinder sind der Keim des Kolumbiens von Morgen. Wir sind die Samen, die den Krieg beenden werden."