Nuha wurde in West-Darfur geboren, weit entfernt von der Hauptstadt Khartoum, wo sie jetzt lebt. Sie weiß nicht, wie alt sie ist - wie viele andere Kinder, die in ländlichen Gebieten geboren sind, besitzt sie keine Geburtsurkunde. Man sagt, daß Nuha 11 Jahre alt ist, aber sie sieht jünger aus. Ihr Wachstum und ihre Entwicklung wurden durch Unterernährung gehemmt.
Als Nuha noch ein Säugling war, packten ihre Eltern die Habseligkeiten der Familie ein, und verließen mit Nuha und ihrem älteren Bruder und der kleinen Schwester die Heimat. Sie flohen vor Armut und Dürre, und suchten einen Platz, um überleben zu können. Wochen später kam die Familie in Khartoum an. Sie kannten niemanden in dieser Stadt, die bereits überfüllt mit Flüchtlingen und Vertriebenen war, die in behelfsmäßigen Unterkünften am Stadtrand wohnten.
Heute ist Nuha´s Familie größer - sie hat jetzt zwei Brüder und zwei Schwestern. Ihr Vater mußte in den östlichen Sudan weiterziehen, eine relativ fruchtbare Region, wo er Arbeit auf einer Farm fand. "Er ging vor langer Zeit weg, und manchmal hören wir von ihm," sagt Nuha traurig.
Ihre Mutter und ihre Geschwister leben in einer kleinen behelfsmäßigen Unterkunft. Ihr "Haus" und tausende andere dieser Art drängen sich am Stadtrand zusammen, in einem Gebiet ohne Basisleistungen wie Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen. Diese Gegend wurde für unzählige notleidende Familien, die vor Dürre und Krieg geflohen waren, zur neuen Heimat.
Eines Tages, vor 5 Monaten, erzählten einige Mädchen Nuha von dem Leben auf den Straßen von Khartoum. "Sie sagten, daß das Leben auf den Straßen aufregend sei," berichtet Nuha, " ... und ich wollte nur weg von zuhause und auch auf den Straßen leben." Nuha lief von ihrer Familie weg, um einem Leben in bitterer Armut zu entkommen. Sie hatte vorher keine Schule besucht, da sie ihrer Mutter beim Verkauf auf dem Markt helfen mußte, um die Familie zu unterstützen.
Wie die anderen 36.000 Kinder, die auf den Straßen in den Städten des Sudan leben und arbeiten, schloß sich Nuha einer Gruppe von Kindern an, und schaffte es, durch Betteln und Reinigungsarbeiten zu überleben. "Ich lebte mit einer Gruppe von Mädchen und Buben. Wir aßen die Speisereste, die wir im Abfall der Restaurants fanden. Manchmal baten wir Leute um Geld, damit wir uns Essen kaufen konnten." In den Nächten drängte sie sich mit den anderen Kindern auf der Veranda eines Geschäfts zusammen, um zu schlafen.
Eines Nachmittags kam eine Frau auf Nuha zu, die auf den Stufen eines Geschäfts saß. Die Frau war sehr freundlich und unterhielt sich mit dem Mädchen über das Leben auf den Straßen. Sie wollte Nuha ein Haus zeigen, wo sich daß Mädchen waschen könne, zu essen bekäme, mit anderen Kindern spielen und lernen könne. Nuha vertraute der Frau, und ging mit ihr. Kurz darauf kamen sie bei einem ockerfarbenen Gebäude an. Auf einem Schild über dem Eingang stand "Bashaier Home".
Im Inneren des Hauses traf Nuha andere Mädchen, die wie sie selbst auf der Straße gelebt hatten. Manche von ihnen waren von zuhause weggelaufen, weil sie von ihren Eltern mißhandelt worden waren. Jetzt im "Bashaier Home" sahen sie glücklich aus, und erzählten Nuha, daß es gut sei, hier zu leben. Die Frauen, die im Haus arbeiten, gaben Nuha zu essen, und zeigten ihr, wo sie schlafen und sich waschen könne, falls sie bleiben wolle.
Das Mädchen fühlte sich geborgen und sicher, und war froh, dem Leben auf der Straße entkommen zu sein.
Am nächsten Tag wurde Nuha von einer Ärztin untersucht. Die Frau sagte, daß Nuha untergewichtig sei. Der Aufenthalt im Bashaier Home mit ausreichenden Mahlzeiten wäre ihrem Gewicht und ihrer Gesundheit sehr zuträglich. An diesem Tag beteiligte sich Nuha auch an Unterrichtsstunden.
Nuha kam, wie viele andere Mädchen, zu der Erkenntnis, daß das Leben auf der Straße ganz und gar nicht aufregend ist. Es bedeutet Härte, Mühsal und Angst.
"Bashaier Home" ist ein von UNICEF unterstütztes Zentrum für Mädchen, die von ihren Familien getrennt auf den Straßen von Khartoum leben. Das Haus sorgt für Nahrung, sanitäre Einrichtungen, Schulbildung und medizinische Versorgung.
Eine sehr wichtige Leistung des "Bashaier Home" ist die Beratung der Mädchen durch Sozialarbeiterinnen. Sie können ihre Probleme diskutieren und werden bei der Wiedereingliederung in ihre Familie unterstützt. Zusätzlich werden den Familien der Mädchen Ausrüstung und Zuschüsse für Projekte zur Verfügung gestellt, um das Einkommen der Familie zu erhöhen.
Nuha lebt jetzt seit 4 Monaten im "Bashaier Home". Sie hat an Gewicht zugenommen, und besucht regelmäßig den Unterricht.
Einer Freundin hat sie ihren Wunsch für die Zukunft
anvertraut:
"Wenn ich erwachsen bin, möchte ich Ärztin werden."
Nuha hat ihre Familie besucht, und wird in ein paar Wochen zu ihr zurückkehren. Ihre Mutter wurde öfters von einer Sozialarbeiterin aus dem "Bashaier Home" aufgesucht, mit der sie ihre Probleme besprechen konnte. Der Familie werden jetzt Zuschüsse zur Verfügung gestellt, um ein
einkommensschaffendes Projekt zu beginnen.
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In den letzten 10 Jahren wurden die Straßen von Khartoum und von vielen anderen afrikanischen Städten zur Heimat für Tausende von Kindern. Sie alle sind die Opfer von Krieg, Armut, Mißbrauch und Ausbeutung, und bedürfen besonderer Fürsorge.
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UNICEF hilft diesen Kindern, und stellt medizinische Versorgung, Zelte, sauberes Trinkwasser und Nahrung
zur Verfügung.
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UNICEF unterstützt auch gemeinsam mit der sudanesischen Regierung die Entwicklung der Kinder und ihrer Familien mit der Einrichtung von Gesundheitszentren, der Ausbildung von Gesundheitsarbeitern, der Ausstattung von Schulen und Ausbildung von Lehrern, und mit sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen. Außerdem fördert UNICEF einkommenschaffende Projekte für die Familien, und unterstützt Programme wie das "Bashaier Home".