Plötzliche Räumungsbefehle im nördlichen Gazastreifen

Amman/Wien - Erklärung der UNICEF-Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika, Adele Khodr, zu den Auswirkungen der Räumungsbefehle im nördlichen Gazastreifen.

© UNICEF/UNI659936/Fayez

„Plötzliche Räumungsbefehle im nördlichen Gazastreifen sind äußerst besorgniserregend und zwingen erneut Zehntausende gefährdete Zivilisten auf die Straße. Familien, darunter auch Kinder, wurden angewiesen, nach Süden in ein Gebiet zu ziehen, das bereits stark überfüllt, verschmutzt und unsicher ist und in dem es an den grundlegenden Dingen zum Überleben fehlt.

Die Evakuierungen, auch von Frühgeborenen, die in Brutkästen um ihr Überleben kämpfen, und von Kindern auf Intensivstationen, sowie die anhaltenden Beschränkungen des Zugangs von Hilfsgütern in den Norden und die unerbittlichen Bombardierungen haben verheerende und skrupellose Folgen, die wir wiederholt beobachten konnten. Immer wieder werden Kinder zu unvorstellbarem Leid, Schrecken und Tod verurteilt.

Drei große Krankenhäuser, darunter das Kamal Adwan, das einzige Krankenhaus mit einer Kinderstation im Norden, sind von diesen Befehlen betroffen. Das Überleben von schwerkranken Patienten, darunter nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 18 Kinder, ist gefährdet.

Mit der Verschärfung der Militäroperationen im Norden des Gazastreifens sind Kinder der großen Gefahr ausgesetzt, inmitten der ständigen Bedrohung und des Chaos getötet, verstümmelt, inhaftiert oder von ihren Eltern und Bezugspersonen getrennt zu werden.  Besonders schlimm ist die Situation für Kinder mit Behinderungen, medizinischen Problemen oder anderen Beeinträchtigungen, was sie einem noch größeren Risiko aussetzt und die Umsiedlung nicht nur schwieriger, sondern auch lebensbedrohlich macht - vor allem, weil es nur noch wenige, wenn überhaupt, sichere Orte gibt, an die sie sich zurückziehen können.

Das Leben der Kinder wird zusätzlich dadurch gefährdet, dass seit Wochen keine grundlegenden Versorgungsgüter mehr in den nördlichen Gazastreifen gelangen dürfen, einschließlich Treibstoff und Handelswaren für die Versorgung von Geschäften und Märkten.

Dies ist bereits das vierte Mal innerhalb eines Jahres, dass Familien in Jabalia ihre Häuser verlassen mussten. Viele sind nach jeder Vertreibung zurückgekehrt, weil sie anderswo keine Sicherheit finden konnten. Wenn Kinder durch wiederholte Militäroperationen mehrfach zur Flucht gezwungen werden, ohne dass ein Ende in Sicht ist, verlieren sie das bisschen Sicherheit und Stabilität, das ihnen noch geblieben ist. Diese Kinder sind der Gefahr ausgesetzt, dass ihr physisches und psychisches Wohlbefinden ein Leben lang beeinträchtigt wird.

UNICEF und andere humanitäre Organisationen tun alles in ihrer Macht Stehende, um das Leid einzudämmen, aber wir kämpfen gegen eine nicht enden wollende Spirale aus Tod, Vertreibung und Verzweiflung.

Mehr denn je appelliere ich an die Konfliktparteien, sich auf einen sofortigen Waffenstillstand zu einigen, um weiteres Leid zu verhindern und das Leben von Kindern zu retten. Andernfalls steht nicht nur ihr Überleben auf dem Spiel, sondern auch die Überreste unserer eigenen Menschlichkeit."

UNICEF bittet um Unterstützung der Nothilfe Nahost, um weiterhin im Gazastreifen und Libanon helfen zu können.