„Sterben beim Warten“: Kinder im Gazastreifen leiden unter lebensgefährlichen Verzögerungen bei medizinischen Evakuierungen

Genf/Wien - Dies ist eine Zusammenfassung der Aussagen von UNICEF-Sprecher James Elder – auf die im Zitattext verwiesen wird – bei der heutigen Pressekonferenz im Palais des Nations in Genf.

„Kinder werden aus Gaza mit einer Geschwindigkeit von weniger als einem Kind pro Tag medizinisch evakuiert. Sollte dieses tödlich langsame Tempo anhalten, würde es über sieben Jahre dauern, die 2.500 Kinder zu evakuieren, die dringend medizinische Versorgung benötigen.

Infolgedessen sterben Kinder in Gaza – nicht nur durch die Bomben, Kugeln und Granaten, die sie treffen – sondern auch, weil sie, selbst wenn sie die Angriffe überleben und wenn das Unmögliche eintritt und Bomben und Häuser überleben, trotzdem daran gehindert werden, Gaza zu verlassen, um lebensrettende Behandlung zu erhalten.

Von Januar bis zum 7. Mai dieses Jahres wurden durchschnittlich 296 Kinder pro Monat medizinisch evakuiert. Seit der Schließung des Rafah-Übergangs am 7. Mai, bedingt durch die Bodenoffensive, ist die Zahl der Evakuierungen auf nur noch 22 pro Monat eingebrochen.

Seit der Schließung von Rafah wurden lediglich 127 Kinder – viele mit Kopfverletzungen, Amputationen, Verbrennungen, Krebs und schwerer Mangelernährung – aus Gaza gelassen.

Eine der vielen Tragödien Gazas ist, dass erschütternde Zahlen nicht dazu geführt haben, dass die Verantwortlichen handeln. Daher möchte ich Ihnen einige der Kinder vorstellen, deren Schicksale von diesen erdrückenden Beschränkungen geprägt sind. Leider sind ihre Geschichten keineswegs einzigartig.

Mazyona ist 12. Als zwei Raketen ihr Zuhause trafen, hielt man sie für tot. Sie hatte keinen Puls mehr. Ihre Geschwister, die 13-jährige Hala und der 10-jährige Mohamed, starben.

Mazyona erlitt schwerste Verletzungen im Gesicht – es wurde fast abgerissen. Chirurgen haben das verbliebene Gewebe zusammengehalten, doch sie benötigt dringend eine medizinische Evakuierung für spezialisierte Behandlung und Knocheneingriffe. Mazyona hat noch immer Splitter im Nacken. Sie leidet natürlich unter starken Schmerzen, und ihr Zustand verschlechtert sich. Die Platten, die chirurgisch eingesetzt wurden, um ihr Gesicht zu stabilisieren, lösen sich, und die Ärzte sagten, sie benötige Operationen außerhalb Gazas, um zu überleben. Mazyona wurde die Evakuierung bereits viermal verweigert. Die Behörden schlugen vor, dass die Evakuierung ohne ihre Mutter durchgeführt werden könnte. Doch als ihr Vater die weiteren Schritte einleitete, wurde die Genehmigung erneut verweigert.

Elia ist vier Jahre alt. Anfang des letzten Monats schlief sie mit ihren Eltern und Geschwistern in ihrem Zuhause in Al-Nussirat, als ein Geschoss das Nachbarhaus traf und ein Großbrand ausbrach, der auch ihr Zuhause erfasste.

Elia hat Verbrennungen vierten Grades. Ihr Bein wurde amputiert. Kürzlich mussten ihr aufgrund der Verzögerungen bei der medizinischen Evakuierung Finger der rechten Hand amputiert werden. Sie liegt seit 43 Tagen im Krankenhaus.

Als ich Elia Anfang dieses Monats traf, lag ihre Mutter, Eslam, mit ebenfalls schwersten Verbrennungen im Bett neben ihr. Auch sie benötigte dringend eine medizinische Evakuierung wegen ihrer Verbrennungen und einer schweren Blutvergiftung. Ihre Wunden waren mit Pilzinfektionen befallen. Ihre Evakuierung wurde abgelehnt. Sie starb vor zwei Tagen, am Mittwoch.

Seit dem Tod ihrer Mutter erhielt Elia eine Genehmigung zur medizinischen Evakuierung – jedoch ohne festgelegtes Datum. Angesichts der vielen Fälle ist es unwahrscheinlich, dass dies bald geschieht. Ärzte haben die Befürchtung geäußert, dass sie bald Elis andere Hand und ihr zweites Bein amputieren müssen, falls sie nicht bald evakuiert wird.

Atef ist sechs Monate alt. Er kämpft gegen Muskelkrebs und leidet unter schwerer Mangelernährung. Aufgrund von Komplikationen wurde ein Katheter für die Nieren eingeführt, was seinen ohnehin fragilen Zustand weiter verschlechtert. Trotz der Schwere seines Zustands könnte Atef, wie viele tausende Kinder, die dringend benötigte Behandlung bekommen, wenn er Gaza verlassen dürfte.

Letzten Monat musste Atefs Mutter Amal, die kranke Atef in ihren Armen trug, das nördliche Gaza zu Fuß unter extremen Bedingungen verlassen, um das Al-Aqsa-Krankenhaus zu erreichen. Trotz seiner Größe fehlt es dem Krankenhaus an den nötigen Ressourcen, um Atef zu behandeln.

Da Amal nicht in ihre zerstörte Heimat zurückkehren kann, hat sie ein Zelt in der Nähe des Krankenhauses aufgestellt und lebt dort unter gefährlichen und unhygienischen Bedingungen. Jeden Tag verschlechtert sich Atefs Zustand weiter, und er braucht dringend eine Evakuierung, um spezialisierte medizinische Hilfe zu bekommen. Amal wartet nun seit zwei Monaten verzweifelt auf eine Rückmeldung zu ihrem Antrag.

Es ist nicht bekannt, wie viele Kinder als Patienten abgelehnt wurden. Israelische COGAT stellt nur eine Liste der genehmigten Patienten zur Verfügung – den Status der anderen wird nicht geteilt. Wird ein Patient abgelehnt, gibt es nichts, was man tun kann. Kinder sind in der gleichgültigen Bürokratie gefangen und ihr Leiden wird brutal verlängert.

Und so erfahren Mazyona, die mit zerschmettertem Gesicht und toten Geschwistern zurückbleibt, oder Amal, die ohnmächtig dabei zusehen muss, wie ihr Sohn an einer behandelbaren Krankheit stirbt, das Unvorstellbare: ‚Nein‘. Keine Behandlung, keine Schmerzmittel, kein Entkommen. Gründe für Ablehnungen werden nicht mitgeteilt.

All dies geschieht vor dem Hintergrund unablässiger Bombenangriffe, während Gazas Krankenhäuser verwüstet wurden und nicht in der Lage sind, die Flut an jungen Patienten zu versorgen. Medizinisches Personal berichtet immer wieder von akuten Engpässen an grundlegenden Dingen wie Nadeln, Verbandsmaterial, Brandsalben, Infusionen und Schmerzmitteln – sowie an wichtigen Hilfsmitteln wie Rollstühlen, Krücken, Hörgeräten und sogar Batterien.

Nach über einem Jahr der Bemühungen, auf die gegen Kinder in Gaza verübten Gräueltaten aufmerksam zu machen, wird vielleicht genau dies als die klarste und erschütterndste Realität erkennbar: Schwer kranken Kindern wird die lebensrettende medizinische Hilfe verweigert, die sie in Gaza benötigen, und sie werden daran gehindert, in Gebiete zu gelangen, in denen Hilfe bereitsteht. Kinder werden somit der medizinischen Versorgung beraubt, die ein grundlegendes Menschenrecht darstellt. Und diejenigen, die die gnadenlosen Bombenangriffe knapp überlebten, sind dazu verurteilt, an ihren Verletzungen zu sterben.

Dies ist kein logistisches Problem – wir können diese Kinder sicher aus Gaza transportieren. Es ist kein Kapazitätsproblem – tatsächlich wurden noch vor wenigen Monaten mehr Kinder evakuiert. Es ist schlichtweg ein Problem, das völlig ignoriert wird.“

UNICEF bittet um Unterstützung der Nothilfe Nahostkonflikt.