Täglich werden mehr als 8.000 Mädchen beschnitten

Anlässlich des Internationalen Tages „Null Toleranz bei weiblicher Genitalverstümmelung“ am 6. Februar macht UNICEF darauf aufmerksam, dass Eingriffe immer häufiger im Krankenhaus vorgenommen werden.

Jedes Jahr werden schätzungsweise drei Millionen Mädchen an ihren Genitalien beschnitten - das sind mehr als 8.000 Eingriffe pro Tag.  Obwohl die Praxis fast überall verboten wurde, ist sie in mindestens 26 Ländern Afrikas und im Jemen nach wie vor verbreitet. Mindestens 70 Millionen Mädchen und Frauen sind allein dort beschnitten. In Ländern wie Ägypten werden Beschneidungen immer häufiger in Krankenhäusern oder Arztpraxen durchgeführt. Medizinisches Fachpersonal tritt an die Stelle traditioneller Beschneiderinnen, obwohl dies der ärztlichen Ethik widerspricht. Traditionell wird die grausame Prozedur oft unter unhygienischen Bedingungen ohne jede Betäubung vorgenommen. Auch in Industriestaaten werden in Einwandererfamilien zunehmend Fälle von weiblicher Genitalverstümmelung bekannt.

„Die Tatsache, dass immer mehr Mädchen in Spitälern und Arztpraxen verstümmelt werden,  erweckt den Anschein, als handle es sich um einen medizinisch notwendigen Eingriff. Aber die weibliche Genitalverstümmelung ist Folter an Körper und Seele. Und Folter kann durch nichts gerechtfertigt werden. Diese brutale und frauenverachtende Praxis muss abgeschafft werden. Aber Verbote allein reichen nicht aus – die entsetzliche Grausamkeit der weiblichen Genitalverstümmelung muss in den Köpfen aller verankert werden.“, so Dr. Gudrun Berger, Geschäftsführerin von UNICEF Österreich.  

Langsame Fortschritte

Haushaltsbefragungen und Erfahrungsberichte von UNICEF weisen darauf hin, dass die Verbreitung der weiblichen Genitalverstümmelung in Ländern wie Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Eritrea, Kenia, Niger, Nigeria, Senegal, Tansania und der Zentralafrikanischen Republik langsam zurückgeht. So haben im Senegal 1.600 von 5.000 betroffenen Dörfern offiziell die Weibliche Genitalverstümmelung abgeschafft. Dies ist ein Erfolg einer breiten Bildungsbewegung. UNICEF-Partnerorganisationen wie TOSTAN („Aufbruch“) organisieren gemeinsam mit den Dorfbewohnern breit angelegte Aufklärungskurse in mittlerweile 3.300 senegalesischen Dörfern.

Am weitesten verbreitet ist die weibliche Genitalverstümmelung weiter in Ägypten, Guinea, Mali und Sudan: Mindestens 90 Prozent aller Mädchen und Frauen sind dort betroffen. In diesen Ländern ist der Kampf gegen den tief verwurzelten Brauch besonders schwierig. Aktuelle Haushaltsuntersuchungen zeigen jedoch zumindest für Ägypten eine positive Tendenz. Der Anteil von beschnittenen Mädchen in der Altersgruppe der 15-bis 17-jährigen sank erstmals deutlich auf unter 80 Prozent.  Gleichzeitig werden 75 Prozent der Eingriffe von Medizinern durchgeführt. Dem ägyptischen Frauenrat ist es in jüngster Zeit auch mit Unterstützung von UNICEF gelungen, Modellprojekte zur Abschaffung der weiblichen Genitalverstümmelung in 120 Dörfern und eine landesweite Notrufnummer durchzusetzen. Islamische Führer haben sich offen gegen die weibliche Genitalverstümmelung ausgesprochen und die Regierung unterstützt eine Kampagne zur Abschaffung des Brauchs.

Massiver Eingriff    

Die Weibliche Genitalverstümmelung ist - anders als bei Buben - ein massiver Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Er reicht von der Abtrennung der Vorhaut der Klitoris bis zu deren Entfernung gemeinsam mit den kleinen Schamlippen. Die schlimmsten Folgen hat die so genannte Pharaonische Beschneidung oder Infibulation. Dabei werden die großen Schamlippen beschnitten und anschließend mit Dornen, Nadeln und Fäden verschlossen, so dass nur eine sehr kleine Öffnung der Vagina bleibt. Die Eingriffe erfolgen meist im Alter zwischen vier Jahren und dem Beginn der Pubertät. Manchmal werden sogar Babys beschnitten. Oft wird die Prozedur noch von traditionellen Beschneiderinnen durchgeführt. Als Instrumente dienen dann häufig Rasierklingen, Messer oder Scherben.

Schnitt in Körper und Seele

Beschnittene Mädchen und Frauen leiden häufig ihr Leben lang an körperlichen und seelischen Problemen. Der Eingriff selbst verursacht große Schmerzen, Schockzustände und starke Blutungen. Immer wieder sterben Mädchen an den Folgen. Häufig kommt es zu Infektionen, die chronische Becken- und Harnwegsentzündungen nach sich ziehen. Wucherungen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Komplikationen bei der Geburt eines Kindes kommen hinzu. Beschneidungen sind eine der Hauptursachen für die hohe Sterblichkeitsrate von Frauen bei der Geburt in den betroffenen Ländern. Viele beschnittene Frauen leiden an Depressionen, Angstzuständen oder sogar Psychosen.

Kein religiöses Gebot

Trotz der gravierenden Auswirkungen bringen die meisten betroffenen Frauen ihre Probleme nicht mit der Beschneidung in Verbindung. Der Eingriff wird auch nicht als ein Akt der Gewalt angesehen. Die Eltern sind vielmehr der Überzeugung, dass sie ihren Töchtern etwas Gutes tun. Der Ritus garantiert in den Augen der Eltern die Keuschheit und Jungfräulichkeit ihrer Töchter und verbessert die „Sauberkeit“ des Genitalbereichs. In vielen Gemeinschaften haben unbeschnittene Mädchen keine Chance zu heiraten.

Beschneidungen werden von Christen, Moslems und Angehörigen anderer Religionen praktiziert, obwohl keine der Weltreligionen sie vorschreibt. Allerdings wenden sich immer wieder religiöse Führer - vor allem auf der lokalen Ebene - gegen Aufklärungskampagnen zur Abschaffung der weiblichen Genitalverstümmelung.

Gleichzeitig wächst in vielen afrikanischen Ländern der Widerstand - vor allem junge Frauen mit guter Ausbildung wollen ihre Töchter vor der Genitalverstümmelung bewahren. UNICEF unterstützt Initiativen in Ländern wie Ägypten, Äthiopien, Guinea, Dschibuti oder im Senegal mit dem Ziel, die weibliche Genitalverstümmelung bis 2015 abzuschaffen. Entscheidend für den Erfolg sind Aufklärungs- und Informationskampagnen, die sich gezielt auch an religiöse Führer, Lehrer, Ärzte und an die traditionellen Beschneiderinnen richtet. Notwendig ist ebenso die finanzielle und politische Unterstützung von Frauengruppen, die für die Abschaffung dieses unfassbar grausamen Brauches kämpfen.