Thomas Brezina im Gespräch: 25 Jahre UNICEF Österreich Botschafter & Post von Tom Turbo

UNICEF feiert zwei ganz besondere Jubiläen: den 75. Geburtstag von UNICEF und 25 Jahre an der Seite von Thomas Brezina, der sich bereits seit 1996 für UNICEF und die Rechte von Kindern auf der ganzen Welt einsetzt.

Gemeinsam mit Thomas Brezina haben wir eine besondere Patenschaft für Groß und Klein entwickelt – „Post von Tom Turbo". Dabei können sich Kinder und auch Erwachsene auf eine Weltreise mit dem beliebten Detektivfahrrad der 90er-Jahre begeben. Sie lernen spannende Fakten über zahlreiche Länder unserer Erde, können gemeinsam rätseln und Kinder rund um die Welt kennenlernen. Erfahrt jetzt mehr über die neue Patenschaft und die aktuelle Arbeit von UNICEF in unserem Interview mit unserem Botschafter Thomas Brezina und UNICEF Österreich Geschäftsführer Christoph Jünger, moderiert von UNICEF Österreich Mitarbeiterin Marianne Seiser:

Christoph Jünger: Vielen Dank an Thomas Brezina für diese 25-jährige Reise an unserer Seite – wir wollen heute Rückschau halten auf diese 25 Jahre. Zusätzlich feiern wir auch 75 Jahre UNICEF. UNICEF wurde am 11.12.1946 gegründet. Warum? Um Kinder und ihre Familien in den Wirren der Nachkriegszeit in Europa zu unterstützen. Mittlerweile arbeitet UNICEF in über 190 Ländern und Territorien auf der ganzen Welt. Mit dem Mandat: Zu jeder Zeit, an jedem Ort und für jedes Kind. An der Seite der Kinder und ihren Familien, um dafür zu sorgen, dass Kinderrechte ernst genommen werden und im Diskurs bleiben und Kinder und Jugendliche in Not zu unterstützen. Nochmal ganz herzlichen Dank an Thomas Brezina. Wir sind sehr stolz und dankbar für deine Unterstützung.

Marianne Seiser: Wie würdest du die aktuelle Situation für Kinder weltweit beschreiben?

Christoph Jünger: Ich werde mit einigen dramatischeren Zahlen beginnen und dann ins Positive wechseln. Der neue UNICEF-Bericht „Preventig a lost decade“ – wir müssen uns jetzt überlegen, wie wir die Situation von Kindern auf der Welt verbessern, vor allem auch aufgrund einiger dramatischer Entwicklungen, die wir beobachten. Vor ca. 1,5 Jahren haben wir noch nicht genau gewusst, wie sich COVID-19 auf Kinder auswirkt. Wir wussten nicht, wie groß der Eisberg ist, wir haben nur die Spitze gesehen. Am Höhepunkt der Krise waren 1,6 Milliarden Schülerinnen und Schüler nicht in der Schule. Es sind bis zu 80% des Unterrichts entfallen. Mentale Probleme sind entstanden, die psychische Gesundheit von Kindern muss mehr in den Fokus rücken. Wir haben gesehen, dass in vielen Ländern die Unterstützungseinrichtungen für Kinder zusammengebrochen sind. Bis zu 8,4 Millionen Kinder mehr sind in den letzten vier Jahren in die Kinderarbeit gerutscht. Weitere neun Millionen sind bedroht, 2022 zusätzlich arbeiten zu müssen. Bis zu zehn Millionen zusätzliche Kinderehen könnten bis 2030 als Folge von COVID-19 geschlossen werden. Die Fortschritte der letzten Jahrzehnte sind momentan sehr gefährdet. 10% mehr Menschen sind zum Beispiel seit 2019 zusätzlich in die Armut gerutscht. Es handelt sich um die schlimmste Krise für Kinder seit 1946. Es gibt mehr Armut, mehr Ungleichheit, mehr Ungerechtigkeit. Im besten Falle werden wir sieben bis acht Jahre brauchen, um die Niveaus wieder zu erreichen, die wir bereits hatten.
Wir sind alle aufgerufen uns weltweit in Solidarität an die Seite von Kindern zu stellen.

Marianne Seiser: Vielen Dank für diesen bedrückenden Eindruck. Aber wir wollen heute auch das Positive in den Vordergrund stellen. Lieber Thomas, du stellst dich nun seit 25 Jahren als UNICEF Österreich Botschafter in den Dienst der guten Sache und setzt dich für Kinder und ihre Rechte ein. Warum machst du das, warum ist dir das wichtig?

Thomas Brezina: Weil die Arbeit von UNICEF nachweislich das Leben von Millionen Kindern und auch Frauen gerettet und verbessert hat. Die Zahlen, die wir jetzt gehört haben, die sind erschreckend. Aber man muss es auch pragmatisch sehen: Sie sind, wie sie sind – erschreckend. Und jetzt blicken wir zurück: Was sich in den letzten 75 Jahren getan hat – die 25 Jahre, die ich UNICEF Botschafter sein darf, was für mich eine große Ehre und Auszeichnung ist und auch etwas ist, was ich mit ganzem Herzen mache. Denn die Projekte, die UNICEF macht, kommen wirklich bei den Menschen an- Sie kommen wirklich zu Kindern. UNICEF Projekte sind maßgeschneidert: Welche Hilfe wird gebraucht, wie kann UNICEF sie leisten? Der Pragmatismus, der dabei an den Tag gelegt wird, ist großartig. Auf der einen Seite ist UNICEF eine super professionell aufgestellte Organisation mit Top-Management. Und das ist ganz wichtig. Gleichzeitig gibt es so viele Menschen, die darauf schauen, was gebraucht wird und wie die Hilfe aussehen muss. Eines meiner Lieblingsbeispiele ist die „Schule in der Kiste“ (school in a box). Das ist die Ausstattung für eine ganze Schulklasse für einige Wochen oder sogar einige Monate. Das ist eine große Tasche/Kiste, die man durch Spenden unterstützen kann. Diese Tasche hat bereits so vielen Kindern geholfen, zum Beispiel nach dem großen Tsunami in Thailand. Wer war zur Stelle, um den Kindern, die alles verloren haben, zu helfen? UNICEF! Mit der Schule in der Kiste. Sofort konnten Kinder hier wieder Halt finden, weil sie die Schule besuchen konnten – auch wenn es vielleicht nur in Zelten war. Das ist in vielen, vielen Katastrophenfällen schon passiert. Das ist schnelle Hilfe. Hilfe muss ankommen.

Es war für mich wirklich ein ganz tiefes Erlebnis, als ich für UNICEF in Ghana war und dort Hilfsprojekte besucht habe. In Gegenden – wenn man wissen will, was Armut ist, muss man dort hinfahren – im Norden, voll mit ausgetrockneten Flächen und leider auch viel Plastikmüll, den man sieht. Ich war in einer Schule, die bestand nicht aus viel mehr als vier Wänden und einer Tafel. Sie ist trotzdem so wichtig. Sie ist ein Sammelpunkt. Die Kinder lernen Lesen und Schreiben, um sich damit in Zukunft zu informieren und ausdrücken zu können. Jetzt gibt es leider das Thema, dass Mädchen oftmals viel mehr im Haushalt helfen müssen als Buben. Das heißt, oftmals dürfen sie nicht zur Schule. Was macht UNICEF? Die Mitarbeitererinnen und Mitarbeiter vor Ort reden mit Stammesältesten oder –führern, und erklären, warum es so wichtig ist, dass die Mädchen ebenfalls in die Schule gehen. Weil es für sie ein wesentlich besseres Leben in der Zukunft bedeutet. Das sind ganz wichige Kontakte, damit dann ein Hilfsprojekt wirklich stattfinden kann. Die Mädchen bekommen dann blaue UNICEF Fahrräder, damit sie in die Schule fahren können. So sind sie nämlich schneller und auch schneller wieder zurück. Oft müssen sie die Aufgaben im Haushalt weiter machen, aber sie können trotzdem in die Schule. Das ist jetzt nur ein Beispiel, wie Hilfe aufgestellt sein kann, damit sie Kinder wirklich erreicht.

UNICEF ist ja auch die Organisation, die sich ganz massiv weltweit für die Kinderrechte einsetzt. Und Kinderrechte sind so wichtig, weil sie etwas klargestellt haben: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, Kinder sind kleine Menschen. Mit ganz eigenen Bedürfnissen, was für Kinder geregelt sein muss. Wo sie ihre Rechte haben müssen, wo sie Schutz brauchen, wo sie Hilfe bekommen müssen. Das sind ganz eigene Bereiche und es sind Rechte. Dabei handelt es sich wirklich um juridisches Recht auch, das verankert werden muss. Und auch dafür setzt sich UNICEF ein.

Zusammenfassend möchte ich etwas sagen. Es geht hier um etwas und das ist Respekt. Respekt vor Kindern als kleinen Menschen und die Achtung und der Einsatz, das zu tun, damit ihr Leben als Kind gesund ist, sie eine Zukunft haben, sie als Kind das bekommen, damit sie ihre eigene Zukunft auch gestalten können. Damit sich auf diese Weise die Welt, die Gesellschaft – und das sind wir alle – weiterentwickeln kann.
Die Zahlen sind erschreckend. Ok. Aber etwas ist gewiss: UNICEF wird die Projekte dafür finden, um hier zu unterstützen und zu helfen. Und dafür braucht UNICEF Unterstützung von uns allen.

Marianne Seiser: Danke für die schönen Worte. Wir haben ja bereits einiges gehört, aber möchtest du vielleicht zusammenfassen, was du in den 25 Jahren alles gemacht und erlebt hast?

Thomas Brezina: Ich kann das auch gern beschreiben. Es ist so: Die Funktion des UNICEF Botschafters ist ja von Danny Kaye quasi erfunden worden. Und das hat mich unglaublich beeindruckt. Als ich gefragt wurde, ob ich UNICEF Botschafter sein will, habe ich mir überlegt: Wie kann ich helfen? Was kann ich da eigentlich tun? Die Funktion ist entstanden, indem Danny Kay in New York war. Sie haben ein Musical gespielt und mitten drin ist die Drehbühne stecken geblieben. Der Vorhang ist gefallen und es wurde gesagt: Ok, wir schicken die Leute in eine verlängerte Pause. Und Danny Kay hat gesagt: „Nein! Wir machen etwas anderes.“. Er ist hinausgetreten vor den Vorhang und hat gesagt: „Meine Damen und Herren, wir reparieren und alles geht weiter, aber in der Zwischenzeit möchte ich Ihnen etwas erzählen. Es gibt eine Organisation, die heißt UNICEF. Und die betreibt Hilfsprojekte für Kinder. Projekte, die so wichtig sind.“ Er hat darüber zu erzählen begonnen und dann gesagt: „So, wir machen Folgendes: Wenn die Vorstellung vorüber ist, alle meine Kollegen und ich stehen bei den Ausgängen. Wir bitten Sie, unterstützen Sie die Arbeit von UNICEF und wir sammeln Geld dafür.“ Er hat erzählt. Und da dachte ich mir: Gut, was bin ich? Ich bin ein Geschichtenerzähler – ich bezeichne mich heute als ein Geschichtenerzähler der Freude, ich will auch ein Botschafter der freudigen Nachricht sein – und dann habe ich mir gedacht, dass kann ich überall dort tun, wo ich die Möglichkeit dazu habe. Über Projekte von UNICEF zu erzählen. Zu schildern, was UNICEF bewegt hat. Auch zu schildern, wie die Projekte funktionieren und aufgebaut sind. Ich finde das hochinteressant. Da passiert nicht einfach irgendwas, da passiert eine ganz wichtige Kette. Da ist viel Hirn dahinter. Da steckt viel Einsatz und Know-How dahinter. Das will ich erzählen und Menschen immer wieder zeigen. Diese Organisation hat schon so viel geholfen, diese Organisation hilft und deswegen bitte unterstützt sie.

Marianne Seiser: Das ist wirklich so wertvoll für uns. Was uns noch interessieren würde: Was ist denn das Beeindruckendste, was du in den 25 Jahren erlebt hast?

Thomas Brezina: Das Beeindruckendste? Es gibt viele beeindruckende Sachen. Beeindruckt hat mich immer wirklich, wie UNICEF arbeitet. Es gibt diese berühmten Säckchen mit Kochsalz-Zuckerlösung gegen den tödlichen Durchfall. Diese kleine Säckchen haben ja wirklich Millionen von Kindern das Leben gerettet. Dass Mütter das wirklich verwenden, das ist gar nicht so einfach, sie davon zu überzeugen. Dass UNICEF es schafft, sich mit den Heilern, die sehr angesehen sind in Dörfern, zu verbinden und ihnen die Wichtigkeit klar zu machen. UNICEF macht für sie Zettel mit Piktogrammen, wie es verwendet werden muss, so dass sie es dann austeilen – weil ihnen vertrauen die Menschen. Das sind die Sachen, wo ich sage, das ist großartig.

In Ghana, wenn man mit diesem blauen Bus in ein Dorf hineinfährt, dann sind dort jubelnde Mütter und sie begrüßen UNICEF und erzählen und zeigen, was alles geschafft wurde. Was möglich ist. Auch durch die sogenannten „Micro-Credits“, die vor allem Frauen helfen und Mütter Eigenständigkeit gewinnen lassen.

Frauen haben erzählt, wie sich ihr Leben verändert. Wie sie zum Beispiel ihre eigenen kleinen Businesses gegründet haben. Seifensiederein zum Beispiel und sie verkaufen das dann auf Märkten. Das ist schon was ganz was anderes als Brennholz zu sammeln und zu verkaufen. Das klingt vielleicht seltsam für uns, aber dort bedeutet das so viel. Und was mich vor allem auch beeindruckt hat: Die Kinderseele weltweit ist gleich. Das was in Kindern steckt, wenn sie geboren werden, ihr Wunsch, ihre Freude auf das Leben und an der Welt – das ist überall gleich. Ganz egal in welchem Land. Ganz egal wie der Entwicklungsstatus ist. So sind die Kinder und deswegen ist es unsere Aufgabe und so wichtig, dass wir eine Umwelt schaffen, in der sie sich entwickeln können. Damit sich diese Sehnsüchte, diese Wünsche und diese Freude auch wirklich entfalten können.

Marianne Seiser: Jetzt würden wir noch gerne über ein neues, gemeinsames Projekt mit dir sprechen. Es gibt ja seit kurzem eine neue Patenschaft für Groß und Klein, die Post von Tom Turbo. Was ist da das Besondere daran?

Christoph Jünger: Ich würde sagen es ist eine wunderschöne Reise und kombiniert ein paar Welten und bringt diese Welten in den Postkasten, auf die Tische und in die Heime von Kindern und Jugendlichen in Österreich. Es geht darum, dass Tom Turbo jeden Monat ein Land besucht und Kinder, Jugendliche und ihre Eltern, die sich für diese Patenschaft entschieden haben, bekommen dann jedes Monat Post von Tom Turbo. Kinder, Jugendliche und ihre Eltern machen dann eine Entdeckungsreise durch die Welt. Das schließt direkt an das an, was Thomas vorher gesagt hat: Kinderseelen sind überall gleich und damit können Kinder und Jugendliche auch daran anschließen, was in anderen Ländern passiert. Darüber lernen und reflektieren. Es gibt eine Weltkarte, es gibt ein Tagebuch. Es ist eine superspannende Reise.
Wir sprechen dann auch noch später über einen Bericht – „Changing Childhood“ – der zeigt, wie positiv Kinder sind. Wie sehr sie trotz der Krise die Welt positiv sehen. Und das ist vielleicht auch ein Beitrag dazu, diese Brücke zu schaffen, von denen wir alle sprechen. Wer und was wäre besser dafür geeignet, als Tom Turbo. Man tritt dann für ein Jahr lang diese Reise mit Tom Turbo an, wenn man sich für diese Patenschaft entscheidet.

Aber Thomas ist viel besser geeignet, diese Reise zu beschreiben.

Thomas Brezina: Ja, der Vorschlag kam von euch und ihr habt gefragt, ob so etwas möglich ist. Und mir hat die Idee sehr, sehr gut gefallen und was es ist? Es ist ein Stickerbuch und Kinder haben hier über die zwölf verschiedenen Länder schon einiges angedeutet, aber man weiß noch nichts genau. Sie bekommen eine Weltkarte und Tom Turbo reist in verschiedenste Länder. Er reist an die Elfenbeinküste, auf die Bahamas oder in die Mongolei. Er reist überall dort hin, wo UNICEF auch wirklich Hilfsprojekte betreibt. Und was er dort macht: Er besucht das Land und er besucht Kinder. Kinder, die von einem UNICEF Projekt profitiert haben und die darüber erzählen können, was denn das überhaupt bedeutet.  Was eine neue Schule in der Elfenbeinküste bedeutet. Ein Mädchen erzählt, dass es schön ist, eine gebaute Schule zu haben und nicht mehr im Staub zu lernen. Aber das besondere an dieser Schule ist, die Ziegel werden aus Plastikmüll gemacht. Das ist natürlich eine tolle Sache. Aber auch an der Elfenbeinküste gibt es viele interessante Dinge. Das Land, die Tierwelt, Natur – es gibt viele tolle Dinge zu entdecken. Tom Turbo schreibt immer eine Postkarte, wo er seine Eindrücke schildert. Dann gibt es einen Brief über das Kind und das Land, es gibt verschiedene Sticker und im Buch muss man das Land suchen, die Sticker einkleben und hat nach einem Jahr ein ganzes Album über verschiedene Länder, verschiedene Hilfsprojekte und das Leben von Kindern.

Marianne Seiser: Warum fiel die Wahl gerade auf Tom Turbo?

Thomas Brezina: Tom Turbo ist wohl eine der bekanntesten Figuren, die ich erfunden habe. Er steht für Kinder für Entdecken, für Neugier, für Mut, für Möglichkeiten, für Freude, für etwas tun und er ist der tollste Freund der Welt, den man haben kann. Und ich glaube, deswegen passt er sehr gut ins Projekt.

Marianne Seiser: Wie hat sich die Recherche von Post von Tom Turbo gestaltet? Wie ist es entstanden?

Thomas Brezina: Naja, wir haben ja abgestimmt und geschaut, über welche Kinder, über welche Projekte in welchen Ländern können wir berichten. Wenn man dann in die Mongolei geht, wo Kinder sehr weit von allem entfernt leben. UNICEF macht da etwas Großartiges: Der Kindergarten und die Schule kommen in einer Jurte zu den Kindern. So können sie einige Wochen oder Monate die Schule besuchen, danach weitermachen können und auf diese Art und Weise ihre Ausbildung bekommen. Das ist dann eine schöne Sache, um darüber zu berichten. Dann haben wir natürlich recherchiert. Was gibt es noch alles in der Mongolei? Dass die Pferde dort so große Bedeutung haben, auch für Kinder. Und dass ihr Leben sich damit sehr stark abspielt und es so wichtig ist: Was interessiert sie? Was tut sich da? Was fasziniert sie? Recherchearbeit, Gespräche mit Experten und Expertinnen, natürlich auch Internetrecherche – wir haben viel gesucht. Und wichtig ist mir, nur die Dinge zu suchen, die man wirklich im wahrsten Sinne begreifen kann. Also keine Zahlen, Dinge die sich nicht einmal Erwachsene gut vorstellen kann, sondern die Dinge, die man begreift und die berühren.

Marianne Seiser: Warum sind Botschafter und Botschafterinnen eigentlich so wichtig und wie kann man als UNICEF Botschafter und Botschafterin eigentlich helfen? Wie gestaltet sich die Arbeit mit Thomas Brezina?

Christoph Jünger: Warum sind Botschafter wichtig? Thomas Brezina spricht zu vielen Herzen von Kindern, das ist eine wunderbare Brücke. Weil das Thema Kinderrechte ein Herzensthema ist und als starker Botschafter erreichen wir gemeinsam einfach mehr, um die wichtige Botschaft – das Eintreten für Kinderrechte – stärker zu machen. Wir sind eine starke Stimme für Kinder und Jugendliche und ihre Anliegen. Botschafter wie Thomas Brezina sind für uns ein wichtiger Multiplikator, um die Botschaft nach außen zu bringen und die Herzen von Menschen zu erreichen, so wie es Thomas Brezina macht.

Marianne Seiser: Wie ist deine Botschafter Rolle entstanden Thomas?

Thomas Brezina: Es gab ein Gespräch mit der damaligen Geschäftsführerin Dr. Gudrun Berger, dieses Gespräch über UNICEF war sehr interessant und ich wollte das dann wirklich gerne machen. Und so ist es dann gekommen. Das sollte einfach sein. Ich habe mich wirklich sehr gefreut, ich habe das als hohe Auszeichnung gesehen. Je mehr ich mich dann auch vertieft habe in Projekte von UNICEF, desto faszinierter bin ich geworden, weil ich diese Details kennengelernt habe. Was alles gemacht werden muss, damit Hilfe wirklich ankommt. So ist das damals entstanden. Dass es jetzt 25 Jahre sind – so lang kommt es mir nicht vor. Es ist nicht wie 25 Jahre. Es ist immer wieder neu, immer wieder frisch.

Ich habe auch eine Erfahrung gemacht, die mich sehr berührt hat. Das war vor zwei oder drei Jahren. Ich habe auf Instagram ja eine große Menge an sehr, sehr lieben Followern. Das ist so eine Community, die ich sehr schätze. Ich erzähle viel über Lebensfreude, mein Leben und meine Projekte. Vor Weihnachten habe ich mir dann gedacht: „So, wir machen mal was anderes!“ und habe die UNICEF Deckenaktion vorgestellt für Kinder auf der Flucht. Ich wollte zeigen, was so eine Decke bedeuten kann für ein Kind. Welchen Schutz und ein Anhaltspunkt im wahrsten Sinne des Wortes sie für Kinder ist. Darüber habe ich in einer Instagram-Story erzählt. Darauf kam sofort die Frage: „Kann man das unterstützen?“. Selbstverständlich! Ich habe dann sofort alles verlinkt, wie man für UNICEF spenden kann und dann habe ich gesagt, was reinkommt, verdopple ich auch. Die Reaktion war unglaublich. Das sind sehr viele, sehr junge Menschen. Die beste Aussage war: „Ok, eine ich, eine du Bro“ – weil ich eben verdoppelt habe. Wir haben sehr viele Decken zusammengebracht. Das Schöne war dieses zusammen Erleben. Und vor allem auch diese unglaubliche Response von Menschen, für die UNICEF auch ein Begriff ist, mit dem sie was Gutes und Starkes verbinden. Aber so haben viele noch einen Einblick zusätzlich bekommen. Diese Reaktion hat mich aber doppelt gefreut.

Christoph Jünger: Ein herzliches Dankeschön! Es ist uns eine Ehre und eine große Freude und wir hoffen auf weitere spannende 25 Jahre für Kinder, Jugendliche und ihre Rechte.

Marianne Seiser: Thomas, wie hättest du dir vor 25 Jahren gedacht, dass die Welt für Kinder heute aussieht?

Thomas Brezina: Ich bleibe Optimist. Aber zum Beispiel das Thema Kindersoldaten war vor 25 Jahren ein großes und ganz schreckliches Thema. Da ist schon viel geschehen und vor allem den Kindern, die damals sehr traumatisiert waren, konnte mit großem Erfolg geholfen werden. Bei HIV wurde viel erreicht. Das war früher sowas von schrecklich, Kinder die ihre Familien und Eltern verloren haben.
Respekt vor Kindern in unseren Breiten? Auch hier glaube ich ist Einiges passiert. Genug? Nein. Aber zum Beispiel die Anhörungen bei Scheidungsverfahren, wie mit Kindern umgegangen wird. Das ist ein Schritt in Richtung der Umsetzung der Kinderrechte.

Ich war bei UNICEF in China. Dort wurde mir erzählt und gezeigt: Es hat geholfen, wir haben nicht mehr so viele Projekte.
Ich glaube, die Pandemie hat die gesamte Welt aus der Bahn geworfen. Alle Erwachsenen, aber ganz besonders betroffen sind immer Kinder. Sie können sich am wenigsten wehren. Und sie sind betroffen und ich muss auch ehrlich sagen, die Schulschließungen, Distance Learning usw. Und vor allem auch mit der Angst, die sich in Kindern festgesetzt hat, wie wenig da zum Teil damit umgegangen wird. Das finde ich absolut nicht in Ordnung, da muss viel getan werden. Deswegen will ich folgendes Bild schildern: Ich glaube, dass die Bewegung zu einer sichereren, gesünderen Welt für Kinder mit einer größeren Zukunft in sehr kleinen Schritten stattfindet, aber sie findet statt. Jetzt haben wir einen schweren Rückschlag. Aber wir müssen schon auch sehen, dass es weitergeht. Sonst verlieren wir die Zuversicht und die Hoffnung. Und die dürfen wir nicht verlieren. Wir müssen auf das schauen, was funktioniert hat. Da gibt es Etliches. Es gibt noch eine Riesenmenge zu tun. Aber Kraft gibt, zu sehen, was schon funktioniert hat.

Christoph Jünger: Weil es gut dazu passt: Kinder haben die Hoffnung nicht verloren. Es wurden 20.000 Kinder weltweit befragt im Projekt „Changing Childhoods“ und was haben wir gesehen? Wir haben gesehen, dass Kinder ihre positive Weltsicht behalten haben. Sie sehen sie sogar noch positiver als ältere Generationen. Kinder und Jugendliche sehen sich sehr stark als Weltenbürger. Sie sehen sich als „change agents“ und „right holders“. Das ist eine wunderbare Nachricht, dass sich Kinder und Jugendliche viel mehr als in der Vergangenheit auch engagieren – in Solidarität – auch über die Grenzen der Länder hinaus. Das ist eine wirklich positive Botschaft, an der wir anknüpfen können. Eine wirkliche positive Sicht, trotz der COVID-19 Pandemie. Das ist auch eine Verantwortung für uns ältere Generationen.
Ich möchte auch daran anknüpfen, was in den letzten Jahren passiert ist. Es hat sich nämlich viel getan. Es ist viel bewegt worden bis 2019/2020. Die Kindersterblichkeit wurde seit 2000 um 50% reduziert, nur um einen Indikator zu nennen. Da ist viel passiert. In den 1980er Jahren ist UNICEF gemeinsam mit anderen Organisationen in die Welt getreten, um Kinder zu immunisieren. Bis Ende der 90er Jahre wurden 80% immunisiert. Das sind enorme Erfolge, die oft im Schatten von Kriegen und Katastrophen stehen. Es ist wichtig, kurz auf die Seite zu treten und hervorzuheben, dass auch viel Positives passiert ist. Wir können an viel Gutes anknüpfen. Aber wir haben natürlich noch viel zu tun.

Marianne Seiser: Warum ist es so wichtig im Zuge von COVID-19 über die Grenze hinaus zu schauen und international zu helfen.

Christoph Jünger: Ich möchte da an Tom Turbo anknüpfen, das ist eine Weltreise und genau das ist es: Es gibt keine Grenzen. Und wenn uns das Virus etwas erzählt hat, dann, dass es global keine Grenzen gibt. Wir wissen auch, die Klimakrise hat auch keine Grenzen. Dadurch müssen wir auch anders denken und an andersdenkende Kinder und Jugendliche anknüpfen. Wir sind aufgerufen in Solidarität international zu agieren und zu denken. Das ist die große Lehre dieser COVID-19 Pandemie. Wir haben es noch nicht geschafft, zum Beispiel Impfstoffe in ausreichendem Ausmaß in Entwicklungsländer zu liefern. Da haben wir eine große Aufgabe vor uns. Wir werden die Pandemie erst besiegt haben, wenn wir sie alle besiegt haben, das heißt in allen Ländern auf der Welt. Die Grenzen existieren dort nicht und auch für die Klimakrise trifft das zu. Diese Herausforderungen müssen wir gemeinsam lösen.

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