UNICEF fordert mehr Mitspracherecht für Kinder

UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder der Welt 2003

Bei der heutigen Veröffentlichung des neuen Berichts zur Lage der Kinder der Welt 2003 unterstrich UNICEF, daß Kindern mehr Gehör geschenkt werden muß. Kinder müssen auch viel stärker in Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, eingebunden werden, so UNICEF.

"In einer Welt, die durch Konflikte und Armut zerrissen ist, ist es absolut unumgänglich, daß man Kindern zuhört und ihnen eine eigenständige Rolle bei der Gestaltung ihrer Zukunft gibt," sagte UNICEF-Direktorin Carol Bellamy. Konstruktive Partizipation bereite Kinder und Jugendlichen auf ein konstruktives Erwachsenenleben vor, betonte Bellamy.

Umfragen unter 40.000 Kindern in den letzten drei Jahren in vier Kontinenten ergaben eindeutig, daß Millionen Kinder Zweifel daran haben, daß Wahlen etwas an ihrer Lebenssituation verbessern könnten. Kinder und Jugendliche haben gleichermaßen wenig Vertrauen in ihre Regierungen und führende Politiker.

In Österreich wurde die Befragung im Jahr 2001 im Auftrag von UNICEF und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) vom Meinungsforschungsinstitut GFK durchgeführt. Die Ergebnisse in Österreich wichen allerdings vom westeuropäischen Durchschnitt ab: Österreichs junge Menschen verfügen fast lückenlos über Informationen über die Rechte des Kindes, und 37 Prozent zeigen spontanes Wissen über das Recht auf Meinungsfreiheit ­ deutlich mehr als in Westeuropa (31 Prozent ). Sie halten die Stimmabgabe bei Wahlen auch für deutlich effektiver als die Gleichaltrigen anderer westeuropäischer Länder (Ö: 18 Prozent "sehr effektiv", 43 Prozent "effektiv": Westeuropa: 13 Prozent "sehr effektiv", 38 Prozent "effektiv"). Nur sechs Prozent geben im Vorwahlalter schon an, dass sie Wählen für sinnlos erachten - im übrigen Westeuropa sind es allerdings mehr als doppelt so viele ­ 13 Prozent.

"Durch die weltweiten Ergebnisse haben uns die Kinder etwas sehr Wichtiges über die Werte, mit denen sie aufwachsen, mitgeteilt," sagte Carol Bellamy. "Unsere erste Reaktion darauf muß sein, daß wir den Kindern einfach zuhören. Denn was uns die Kinder mit diesem Ergebnis sagen, ist, daß wir ihnen nicht genug zuhören. Unsere zweite Reaktion muß es sein, Kindern und Jugendlichen eine aktive Rolle in allen sie betreffenden Belangen zu geben"

Carol Bellamy erklärte, daß diese Umfragen sowie die positiven Erfahrungen mit Partizipation von Kindern an UNICEF-Programmen, die Organisation dazu bewogen haben, den UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder der Welt 2003 diesem Thema zu widmen. Der UNICEF-Bericht setzt sich mit dem weitgehend unerforschten Bereich von Partizipation von Kindern auseinander, das bedeutet, inwieweit wird es Kindern und Jugendlichen ermöglicht, sich konstruktiv in alle sie betreffenden Belange einzubringen.

Der Report weist darauf hin, daß Partizipation von Kindern an allen sie betreffenden Belangen das Verantwortungsgefühl der Kinder und ihren Respekt vor den Rechten anderer fördert. Weiters stellt der Bericht fest, daß ernsthafte Nachteile entstehen, wenn Kinder übergangen werden. Kindern, die von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen werden und wenig Möglichkeiten zu konstruktiver Partizipation haben, fehlen häufig wichtige Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Fähigkeiten sich auszudrücken, Konflikte zu lösen, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen oder Verantwortung für sich selbst, die Familie und die Gemeinschaft zu übernehmen.

Der UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder der Welt 2003 bestätigt weiters, daß Kinder durchaus in der Lage sind, positive und kreative Aktionen zu setzen und Entscheidungen zu treffen, wenn ihnen die Möglichkeit der Partizipation geboten wird.

"Kinder und Jugendliche haben bewiesen, daß sie einen Unterschied bewirken können, wenn man sie mit einbezieht. Sie haben Ideen, Erfahrungen und Einsichten, die das Verständnis der Erwachsenen bereichern und einen positiven Beitrag zu Maßnahmen der Erwachsenen darstellen," hält der Report fest. Der Bericht enthält unzählige Beispiele von Kindern, die in ihren Gemeinden einen positive Veränderung bewirken konnten, zum Beispiel:

- In der pakistanischen Provinz Baluchistan können nur 2 Prozent der Frauen lesen und schreiben. Die örtlichen Pfadfindergruppen engagierten sich bei den zuständigen Behörden dafür, Mädchen den Schulbesuch zu erlauben. Durch diesen Einsatz konnten erstmals 2.500 Mädchen eingeschult werden.

- Im nigerianischen Bundesstaat Abia informierten Schüler die 25.000 Einwohner der Gemeinde Afugiri über die Bedeutung von Impfschutz. Durch diesen Einsatz konnten hunderte Leben gerettet werden, denn erstmals brachten hunderte Frauen aus Afugiri ihre Kinder zu lokalen Gesundheitsstationen, um sie impfen zu lassen.

"Ich denke, daß die Gesellschaft von der Partizipation der Kinder profitiert, weil Kinder einen erfrischenden Zugang zu vielen Bereichen haben," sagte Bellamy. "Sie mögen nicht immer tatsächlich durchführbare Lösungen haben, aber sie gehen nur selten davon aus, daß alles nur Routine ist. Daher sehen sie mehr Möglichkeiten und haben umfassendere Ideen."

Der UNICEF-Bericht fordert die Regierungen dazu auf, den Zugang von Kindern zu Bildung und Partizipation zu verbessern, damit den Kindern so früh wie möglich demokratische Werte nahegebracht werden. "Wenn wir die Partizipation von Kindern nicht fördern, lassen wir die Chance ungenützt verstreichen, Demokratie und Menschenwürde rund um die Welt zu stärken," sagte dazu Carol Bellamy. "So ein Versäumnis hinterläßt junge Menschen, die sich machtlos und von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen ­ und das kann einen hohen Preis nach sich ziehen."

Der UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder der Welt 2003 betont, daß weltweit 150 Millionen Kinder an Mangelernährung leiden, 120 Millionen Kinder nicht zur Schule gehen und daß sich jeden Tag 6.000 Kinder und junge Menschen mit HIV/AIDS infizieren. UNICEF ist der Ansicht, daß es hinsichtlich dieser Probleme unerläßlich ist, Kinder und junge Menschen an Entscheidungen und an Präventionsmaßnahmen aktiv zu beteiligen.

"Die Meinung von Kindern anzuhören bedeutet nicht automatisch ihre Meinung gutzuheißen," hält der Report fest. "Vielmehr ist es wichtig, sie zum Dialog und zum Austausch anzuhalten, um Kindern konstruktive Wege zur Beeinflussung ihrer Umwelt aufzuzeigen. Das soziale Geben und Nehmen der Partizipation ermutigt Kinder dazu, Verantwortung als aktive, tolerante und demokratische Bürger zu übernehmen."