Der Großteil der ersten AIDS-Opfer in Rumänien waren Kinder, die in den 80er Jahren durch Bluttransfusionen und Injektionsnadeln infiziert wurden. Schätzungen vermuten, daß heute in Rumänien über 4.000 HIV-Positive Kinder leben, bei etwa 2.600 ist die Krankheit ausgebrochen.
Das große Leid der Kinder wird noch verschlimmert wenn sie von ihren Eltern verlassen werden oder Waisen sind. Sie leben verlassen, krank und elend in Spitälern oder anderen öffentlichen Institutionen bis sie sterben. Um eine Alternative für solche Institutionen zu finden, und ein System zu entwickeln, daß sicherstellt, daß diese Kinder versorgt, geliebt und geschützt werden, finanzieren UNICEF und USAID seit 1995 die Arbeit eines innovativen Pflegeheims in Constanta am Schwarzen Meer.
Die "Casa Speranta" - das Haus der Hoffnung - ist vor allem für HIV-Positive Kinder da, aber auch HIV-Negative Kinder leben hier. In der Casa wohnen zur Zeit etwa 25 Kinder. Sie leben jeweils zu fünft mit einer ausgebildeten Pflegemutter. Durch das Leben in einem familienähnlichen Verband wird eine häusliche Atmosphäre geschaffen, und die Kinder erhalten die Liebe, die alle Kinder für ihre Entwicklung brauchen. Die HIV-Negativen leben gemeinsam mit den HIV-Positiven Kindern in den Familiengruppen. Jede Familie hat eine kleine Wohnung in der Casa. Die Kinder bleiben in diesen Familien bis sie wieder zu ihren eigenen Familien zurückkehren, adoptiert werden, oder - wenn sie HIV-Positiv sind - bis zu ihrem Tod.
Trotz der großen Anteils an Kindern in der Casa Speranta, die wahrscheinlich sterben werden - über ein Drittel sind bereits gestorben - betont das Heim einen positiven Zugang zu Tod und Sterben. Der Tod ist in das Leben der Kinder integriert - sie unterstützten all jene, die leiden. Ein Grundsatz der Casa Speranta ist nämlich, daß Kinder mit AIDS das Recht haben, im Kreis ihrer Familie zu sterben.
"Der Tod kommt", sagt die Direktorin Marolen Mullinax, "und er ist immer eine traumatische Erfahrung. Doch bei uns stirbt kein Kind allein. Unsere Botschaft für Rumänien ist, daß Kinder mit AIDS Respekt verdienen. Ich habe gelernt, daß ein HIV-Positives Kind vor allem ein Kind ist."
Abgesehen von der hervorragenden Arbeit der Casa Speranta für kranke und sterbende Kinder, war das Modell von Versorgung innerhalb einer Familiengruppe an verschiedensten Fronten äußerst erfolgreich, mit direkten Auswirkungen auf die öffentliche Politik.
Im Vergleich zu den vielen anderen HIV-Positiven Kindern in den rumänischen Krankenhäusern weisen die Kinder in der Casa Speranta eine bemerkenswert bessere körperliche und geistige Entwicklung auf - ebenbürtig jenen HIV-Positiven Kindern, die bei ihren Eltern leben. Um die Entwicklung der Kinder zu fördern, betreibt die Casa eine eigene Montessori-Vorschule, die älteren Kinder besuchen die öffentliche Schule.
Die Casa Speranta arbeitet außerdem äußerst kostengünstig - die Betreuung eines HIV-Positiven Kindes im Spital kostet etwa zehnmal so viel.
Die Casa Speranta gliederte die Kinder äußerst erfolgreich in die Gemeinde ein, fand teilweise Adoptiveltern oder konnte Kinder wieder mit ihren eigentlichen Familien vereinen. Das alles sind in Rumänien ausgesprochen schwierige Aufgaben, denn Kinder mit HIV/AIDS oder mit Behinderungen werden oft von ihren Eltern verlassen, von der Öffentlichkeit ferngehalten, sie werden isoliert, es wird nicht angemessen für sie gesorgt, und sie haben kaum die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Im Gegensatz dazu schaffte es die Casa Speranta, die öffentlichen Schulen davon zu überzeugen, auch HIV-Positive Kinder aufzunehmen. Neun Kinder aus der Casa wurden im September 1997 eingeschult - vielleicht die einzigen Fälle in ganz Rumänien. Elf Kinder wurden adoptiert, oder von ihren eigentlichen Eltern zurückgeholt. Die Casa wird diese Kinder weiter medizinisch betreuen.
Die Zahl der Kinder, für die in der Casa gesorgt werden kann, erscheint winzig im Vergleich zum Ausmaß des Problems der verlassenen HIV-Positiven Kinder in Rumänien - doch die Wirkung des "Hauses der Hoffnung" ist enorm:
* Die Casa Speranta ist ein starkes Vorbild und Modell dafür, wie Rumänien und andere osteuropäische Staaten auch in Institutionen das Wohlergehen von HIV-Positiven Kindern sicherstellen können.
* Die Integration von HIV-Positiven Kindern in öffentliche Schulen, die Adoption der Kinder und die Rückkehr zu den eigenen Eltern zeigen, daß es nicht notwendig ist, die Kinder in Instituten zu isolieren. Es zeigt auch, daß Eltern, wenn sie soziale und medizinische Unterstützung erhalten, wenig Veranlassung sehen, ihre Kinder in ein Heim zu geben.
* Das Modell der Casa Speranta ist das Kernstück der Bemühungen von UNICEF in Rumänien ein System für die angemessene Versorgung von HIV-Positiven Kindern zu entwickeln und auch andere Institutionen für Kinder zu reformieren.
Zur Zeit arbeitet UNICEF mit der rumänischen Regierung und anderen Partnern an einer Gesetzesreform für die Verstärkung der Rechte des Kindes, für Alternativen zu Institutionen und für die medizinische und soziale Unterstützung von Eltern, damit sie ihre Kinder nicht in ein Heim geben müssen. UNICEF zeigte, daß bestehende Institutionen durch das Aufgreifen des Casa Speranta-Modelles enorm verbessert werden könnten.
Außerdem wird UNICEF eine italienische NGO (Associazione Volontari per il Servizio Internazionale - AVSI) bei einem Projekt in Bukarest nach dem Vorbild des Casa Speranta-Modelles unterstützen. Zielgruppe sind die etwa 600 HIV-Positiven Kinder, die in und um Bukarest leben.
* Sechs Sozialarbeiter werden Familien mit HIV-Positiven Familien betreuen und unterstützen: finanzielle Hilfe, medizinische Betreuung und Beratung.
* Wenn Kinder bereits in Institutionen leben, werden Sozialarbeiter versuchen, sie wieder mit ihren Familien zu vereinen. Falls das nicht möglich ist, sollen Adoptiveltern gefunden werden. In jedem Fall werden die Familien betreut und unterstützt.
* Als letzten Ausweg werden Kinder in sogenannte Kinderhäuser nach dem Vorbild der Casa Speranta verlegt.
Zusätzlich wird UNICEF in Rumänien ein breit angelegtes Informations- und Aufklärungsprogramm zur AIDS-Prävention bei Kindern und Jugendlichen durchführen. Gemeinsam mit der Regierung und anderen Partnern wird ein umfassendes Programm entwickelt, das auch bei Gemeindepolitikern, medizinischem Personal und Sozialarbeitern Problembewußtsein schaffen möchte.