UNICEF: Kampf gegen Polio in entscheidender Phase

Welt-Polio-Tag am 28.10.2004: Seit 1988 wurden über zwei Milliarden Kinder geimpft / Neue Gefahr in Afrika

50 Jahre nach der Einführung des ersten Impfstoffes gegen Kinderlähmung durch den Amerikaner Jonas Edward Salk im Jahr 1954 ist das hoch ansteckende Polio-Virus nur noch in sechs Ländern der Erde heimisch. Weltweit wurden in diesem Jahr bisher noch 821 Polio-Fälle registriert – nach schätzungsweise 350.000 Erkrankungen im Jahr 1988. Doch die erneute Ausbreitung des Virus in Afrika in diesem Jahr ist ein schwerer Rückschlag im Kampf um die vollständige Ausrottung der Kinderlähmung. Von Nigeria aus, das heute 75 Prozent aller Polio-Fälle verzeichnet, wurde das Virus in zwölf afrikanische Länder eingeschleppt. In 23 Ländern südlich der Sahara findet deshalb mit Unterstützung von UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation im Oktober und November die größte Massenimpfkampagne in der Geschichte des Kontinents statt. Über 80 Millionen Kinder in 23 Ländern erhalten eine Schluckimpfung.

Seit 1988 wurden im Rahmen der weltweiten Polio-Kampagne von UNICEF, Weltgesundheitsorganisation, Rotary International sowie zahlreichen weiteren Partnern rund zwei Milliarden Kinder geimpft. Schätzungsweise fünf Millionen Kinder blieben so vor einer lebenslangen Behinderung bewahrt. Der amerikanische Kontinent, die Pazifikstaaten und Europa gelten heute als poliofrei. Polio ist außer in den afrikanischen Staaten Nigeria, Niger und Ägypten nur noch in Indien, Pakistan und Afghanistan heimisch. Der endgültige Sieg über diese Geißel der Menschheit ist aber nur möglich, wenn es gelingt, auch alle schwer erreichbaren Kinder in ländlichen Regionen der Entwicklungsländer sowie in Kriegs- und Krisengebieten zu impfen. Nur so kann dem Virus, der außerhalb des menschlichen Körpers nicht lebensfähig ist, der "Wirt" entzogen werden.

Polio kennt keine Grenzen
Die erneute Polio-Ausbreitung in Afrika ist maßgeblich auf die soziale und politische Instabilität in einigen nördlichen Bundesstaaten Nigerias zurückzuführen. In 2003 und Anfang 2004 mussten dort Impfkampagnen abgebrochen werden, nachdem islamische Geistliche behauptet hatten, der Polio-Impfstoff sei mit einem Serum versetzt worden, das unfruchtbar mache oder das HIV-Virus übertrage. Insbesondere in der armen Bevölkerung auf dem Land, die oft nicht lesen und schreiben kann und keinen Zugang zu Informationen hat, hatte dies Angst und Unsicherheit verbreitet. Das Virus konnte aber erst in die Nachbarländer eingeschleppt werden, weil auch dort die Impfraten in der Bevölkerung niedrig und die Menschen weitgehend ungeschützt waren. Insgesamt in 12 Staaten wurden Ansteckungen registriert.

Durch intensive Gespräche mit religiösen Führern gelang es der Zentralregierung mit Hilfe von UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation, die falschen Behauptungen zu widerlegen. Am 31. Juli wurden die Impfungen im Nord-Nigerianischen Bundesstaat Kano wieder aufgenommen.

Der Kampf gegen das heimtückische Virus
Das Polio-Virus wird durch Tröpfchen übertragen und kann innerhalb weniger Stunden in Gehirn und Rückenmark gelangen. Die Symptome ähneln zunächst einer Grippeerkrankung. Fünf bis zehn Prozent der Infizierten erkranken an Hirnhautentzündung, bei einem Prozent kommt es zu Lähmungen, die im Extremfall tödlich sein können. Polio hat die heimtückische Eigenschaft, dass auch infizierte Menschen, bei denen die Krankheit nicht ausbricht, das Virus weiterverbreiten können.

Um die Übertragung des Virus zu stoppen, müssen möglichst alle Kinder im ersten Lebensjahr vier Dosen Polio-Impfstoff in Form einer Schluckimpfung erhalten. In den Entwicklungsländern wird dieser Impfschutz bei so genannten Nationalen Impftagen bis zum fünften Geburtstag mehrfach aufgefrischt.

Eine Region gilt dann als poliofrei, wenn in keinem Land drei Jahre lang kein einziger Fall mehr aufgetreten ist. Gleichzeitig müssen die Länder ein leistungsfähiges Meldesystem für auffällige Krankheitsbilder und Testlabore nachweisen, sowie die Fähigkeit haben, auf einen Polioausbruch rasch mit Auffrischungsimpfungen zu reagieren.

Weltweit erkrankten in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts jedes Jahr schätzungsweise 500.000 Kinder an Kinderlähmung. Viele starben oder trugen schwere lebenslange körperliche Behinderungen davon.

Seit Beginn der weltweiten Polio-Kampagne 1988 hat UNICEF zehn Milliarden Dosen Impfstoff in 100 Ländern bereitgestellt. UNICEF organisiert in den Entwicklungsländern den Aufbau einer Kühlkette, bildet Helfer aus, mobilisiert die Öffentlichkeit für "Nationale Impftage". In Konfliktgebieten wie Somalia und dem Sudan wurden Kampfpausen ausgehandelt, in denen die Kinder geimpft wurden. UNICEF verhandelt auch mit religiösen und anderen traditionellen Führern, um die Akzeptanz der Polio-Impfungen in der Bevölkerung sicher zu stellen.

Der Entdecker des Polio Impfstoffs Jonas Edward Salk
Der Entdecker des Polio-Impfstoffes Jonas Edward Salk wurde als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer am 28. Oktober 1914 in New York geboren. An der Universität Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania forschte er jahrelang an den damals gerade zum ersten Mal isolierten Polio-Viren. Anfang der 50er Jahre begann Salk mit Impfversuchen mit abgetöteten Erregern, die er an sich selbst und anschließend an seiner Familie mit Erfolg ausprobierte. Der Mediziner Bruce Sabin entwickelte kurze Zeit darauf die bekannte Schluckimpfung.