New York, 22. Mai 1998 -- Anläßlich der neuesten Berichte über Greueltaten in Sierra Leone, die immer schlimmer werden, hat Carol Bellamy, Direktorin von UNICEF, zu internationalen Aktivitäten aufgerufen, um den Schutz der Kinder zu garantieren.
Die Eskalation der Gewalttaten zeigt sich z. B. in neuesten Berichten über 17 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, die brutal gefoltert und verstümmelt wurden. Einigen wurden Hände, Ohren, Brüste und Genitalien abgeschnitten. In den letzten zwei Wochen wurden in Sierra Leone über 300 Menschen - viele von ihnen Frauen und Kinder- durch bewaffnete Männer verletzt. Sie sind Reste des vertriebenen "Armed Forces Revolutionary Council" und der Rebellen der "Revolutionary United Front", die im östlichen Kono-Gebiet und im Norden des Landes weiter operieren. Doch die Zahl könnte noch höher sein, da sie nur die 300 Menschen berücksichtigt, die ein Spital erreichen konnten.
Letzten Februar wurden die Rebellen gestützt und die Regierung von Sierra Leone wieder einberufen. "Die Kinder von Sierra Leone hatten während dieser langen Jahre des Bürgerkriegs drei schwere Schläge zu verkraften," sagte Bellamy. "Erstens wurden sie zu Kindersoldaten gemacht: dann wurden sie Ziele der aktuellen Gewalttaten: und jetzt sind sie von der Internationalen Gemeinschaft weitgehend vergessen." Die UNICEF-Direktorin befürwortet erneut den Ruf nach einem internationalen Gerichtshof, der all jene vor Gericht bringen könnte, die diese entsetzlichen Verbrechen gegen die Jugend und hilflose Menschen begangen haben.
Angesichts der Geschehnisse befürwortet Carol Bellamy die für nächste Woche geplante Mission von Olara Otunnu, dem UN-Sonderbeauftragten für Kinder im Krieg, in das Land. Sie sieht das als eine Möglichkeit für die Vereinten Nationen mit der Regierung an der Demobilisierung der Kindersoldaten zusammen zu arbeiten.
Bellamy verwies auf den letzten Erfolg Otunnus in Sri Lanka, wo er von der Regierung und der Führung der tamilischen Rebellenorganisation Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) Verpflichtungen erreichte, die auch die Zustimmung enthielten, Kinder unter 18 Jahren nicht im Kampf zu verwenden und sie nicht vor 17 Jahren zu rekrutieren. Die Führung von LTTE stimmte außerdem zu, Instruktionen zur Konvention über die Rechte des Kindes zu erhalten.
"In fast allen Krisengebieten ist die Welt täglich mit unaussprechlichen Verbrechen gegen die Rechte der Kinder konfrontiert," sagte Bellamy. "Wir brauchen in Sierra Leone unbedingt die gleiche Art von Verpflichtung wie sie von den kämpfenden Parteien in Sri Lanka gegeben wurden.
Zusätzlich rief Bellamy Spender auf, auf die UN Appelle für Sierra Leone großzügig zu reagieren. Bis jetzt hat UNICEF nur 765.000 US$ von den benötigten 4 Millionen US$ erhalten. "Angesichts der Geschehnisse in Sierra Leone sollten die Spender zusammen den erforderlichen Betrag aufbringen, damit UNICEF und die anderen Hilfsorganisationen ihre Arbeit machen können," sagte Bellamy. In Sierra Leone wurden sogar Babys Opfer der Greueltaten. Ein Bericht von Anfang Mai besagt, daß Rebellen die Gliedmaßen von vier Kindern und über 10 Erwachsenen abgeschlagen hätten, während diese zu ihrem Morgengebet gingen. 10 Menschen dieser Gruppe starben. Die Verletzten wurden in das regionale Spital in Mikeni im Norden des Landes gebracht, wo Hunderte Zuflucht suchten. Laut Zeugenberichten, wurden Familien zusammen getrieben, in Häuser gesperrt und bei lebendigem Leib verbrannt. Die Spitäler können den Zustrom infolge der Kämpfe kaum bewältigen. UNICEF und seine NGO-Partner berichten, daß Medikamente, Verbandsstoffe, Plastikplanen, Matratzen und Decken fehlen. Viele der Verwundeten müssen auf dem Boden schlafen.
Die Lebensbedingungen haben sich im letzten Jahr dramatisch verschlechtert. Nur 10-15 Prozent der 4,5 Millionen der Bevölkerung von Sierra Leone haben Zugang zu Basisgesundheitsdiensten. Die Sterberate ist auch in den großen Spitälern sehr hoch. Im Kinderspital von Freetown wurden im März bei 350 Aufnahmen 76 Todesfälle verzeichnet. Die Haupttodesursachen sind Anämie, akute Atemwegserkrankungen und Mangelernährung. Fünf Neugeborene starben innerhalb von fünf Wochen an neonatalem Tetanus - daraus läßt sich die schlechte Impfrate bei schwangeren Frauen, auch in der Hauptstadt, ablesen. Masern-Epidemien sind im Ansteigen begriffen, besonders unter den zehntausenden von Vertriebenen. Dreizehn Todesfälle infolge von Masern wurden kürzlich bestätigt.
UNICEF unterstützt ein Gesundheitsteam, das Kinder in den Lagern immunisiert und fördert die Fortsetzung von Impfkampagnen in sicheren Regionen. UNICEF arbeitet außerdem mit den Gemeinden an der Versetzung der Brunnen mit Chlor um den Ausbruch von Cholera zu verhindern, wenn die Regenperiode beginnt.
Während des Krieges wurden Schulen zerstört und Lehrer ermordetet oder vertrieben. Über 55 Prozent der Kinder zwischen 6 und 14 Jahren gehen nicht zur Schule. "Unsere Verpflichtung galt immer den Verletzlichsten, sagte Bellamy. "Der einzige Weg dieser Verpflichtung in Sierra Leone nachzukommen ist, auf jedem Gebiet zu arbeiten, um das Töten und Verstümmeln der Kinder zu beenden."