Neuesten Schätzungen von UNICEF zufolge geht der Anteil der Mädchen in Kinderehen weltweit weiter zurück. Allerdings drohen zahlreiche Krisen, darunter Konflikte, Klimaschocks und die anhaltenden Folgen der Covid-19-Pandemie, hart erkämpfte Fortschritte zunichte zu machen. Laut einer heute (3.5.) veröffentlichten Analyse schätzt UNICEF, dass jedes Jahr zwölf Millionen Mädchen eine Kinderehe eingehen müssen. Derzeit leben 640 Millionen Mädchen und Frauen auf der Welt, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden.
Der Anteil der jungen Frauen in Kinderehen ist seit den letzten Schätzungen vor fünf Jahren von 21 Prozent auf 19 Prozent zurückgegangen. Jedoch müssten trotz dieses positiven Trends die Fortschritte im Kampf gegen Kinderehen 20 Mal schneller sein, um das nachhaltige Entwicklungsziel zu erreichen und bis zum Jahr 2030 diese Praxis ganz zu beenden.
„Multiple Krisen machen die Hoffnungen und Träume von Kindern weltweit zunichte – insbesondere von Mädchen, die Schülerinnen sein sollten und nicht Bräute“, sagt UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „Gesundheits- und Wirtschaftskrisen, eskalierende bewaffnete Konflikte und die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels zwingen Familien dazu, vermeintliche Sicherheit in Kinderehen zu suchen. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass ihr Recht auf Bildung und ein selbstbestimmtes Leben gesichert ist.“
Afrika südlich der Sahara – das derzeit den weltweit zweitgrößten Anteil an Kinderbräuten (20 Prozent) trägt – ist beim aktuellen Fortschrittstempo mehr als 200 Jahre davon entfernt, Kinderehen zu beenden. Das starke Bevölkerungswachstum und die anhaltenden Krisen in der Region werden nach jetzigem Stand sogar zu einer steigenden Zahl von Kinderehen führen, während im Rest der Welt ein Rückgang erwartet wird.
In den Regionen Lateinamerika und Karibik, Naher Osten und Nordafrika sowie Osteuropa und Zentralasien stagniert die Entwicklung weitgehend.
Für den global insgesamt positiven Trend sind hauptsächlich Fortschritte in Südasien verantwortlich. Die Region ist auf dem besten Weg, Kinderehen in rund 55 Jahren abzuschaffen, heißt es in dem UNICEF-Bericht. In der Region leben jedoch nach wie vor fast die Hälfte (45 Prozent) aller Kinderbräute. Obwohl Indien in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht hat, werden dort immer noch ein Drittel der weltweiten Kinderehen geschlossen.
Krisen verschärfen Ursachen und vermindern Schutzfaktoren
Für Mädchen haben Kinderehen sowohl unmittelbare als auch lebenslange Folgen. Sie bleiben mit geringerer Wahrscheinlichkeit in der Schule und sind einem erhöhten Risiko einer frühen Schwangerschaft ausgesetzt, was wiederum das Risiko von gesundheitlichen Komplikationen und die Sterblichkeit von Kindern und Müttern erhöht. Eine Frühehe kann Mädchen auch von Familie und Freunden isolieren und sie von der Teilnahme an der Gesellschaft ausschließen, was ihre mentale Gesundheit und ihr Wohlbefinden stark beeinträchtigt.
Weltweit tragen Konflikte, klimabedingte Katastrophen und die anhaltenden Auswirkungen der Covid-19-Pandemie dazu bei, die tieferliegenden Ursachen von Kinderehen zu verschärfen – dazu zählen insbesondere steigende Armut, Einbrüche beim Einkommen und Schulabbrüche. Gleichzeitig fallen Schutzfaktoren weg, weil Mädchen der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Sozialdiensten und Unterstützung durch die Gemeinschaft erschwert wird.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Mädchen in fragilen Situationen früh verheiratet werden, ist doppelt so hoch wie bei Mädchen im globalen Durchschnitt. Die UNICEF-Analyse warnt, dass wertvolle Errungenschaften der letzten zehn Jahre auch durch die anhaltenden Auswirkungen der Covid-19-Pandemie bedroht oder sogar rückgängig gemacht werden. Schätzungen zufolge hat die Pandemie die Zahl der verhinderten Kinderehen seit 2020 bereits um ein Viertel reduziert.
„Wir haben bewiesen, dass Fortschritte bei der Beendigung von Kinderehen möglich sind. Es braucht unermüdliche Unterstützung für gefährdete Mädchen und Familien“, fügt Russell hinzu. „Wir müssen uns darauf konzentrieren, Mädchen in der Schule zu halten und sicherzustellen, dass sie wirtschaftliche Chancen haben.“
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Schätzungen der globalen und regionalen Prävalenz von Kinderehen werden auf der Grundlage nationaler Schätzungen in den globalen UNICEF-Datenbanken berechnet, die national repräsentativen Daten aus über 100 Ländern enthalten. Nationale Daten zur Kinderehe stammen hauptsächlich aus Haushaltserhebungen, darunter die von UNICEF unterstützten Multiple Indicator Cluster Surveys (MICS) und die von USAID unterstützten Demographic and Health Surveys (DHS). Die demografischen Daten stammen von der Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen, Abteilung Bevölkerung. Die neuesten Schätzungen reichen bis ins Jahr 2022.
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