Versteckter Hunger

UNICEF: Eine Million Kinder sterben jährlich an den Folgen von Vitamin- und Mineralstoffmangel

Vitamin- und Mineralstoffmangel schränkt die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit eines Drittels der Weltbevölkerung ein. Jedes zweite Kind in den Entwicklungsländern ist durch diesen "versteckten Hunger" geschwächt. Das geht aus dem ersten weltweiten Bericht zu den Auswirkungen von Vitamin- und Mineralstoffmangel hervor, den UNICEF am Mittwoch gemeinsam mit der internationalen Initiative gegen Mangelernährung "Micronutrient Initiative" veröffentlicht hat.

Kleinkinder sind am meisten gefährdet: Zu wenig Vitamin A in der Nahrung schädigt das Immunsystem von schätzungsweise 40 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren in Entwicklungsländern, etwa eine Million Kinder jährlich sterben an den Folgen. Durch Jodmangel während der Schwangerschaft kommen jedes Jahr bis zu 20 Millionen Babys mit geistigen Behinderungen zur Welt. Diese Gesundheitsschäden wären durch einfache und kostengünstige Maßnahmen vermeidbar. Schon für wenige Cent pro Kopf können alltäglichen Lebensmitteln wie Salz oder Mehl Vitamine und Mineralien zugesetzt und Kinder und Frauen im gebärfähigen Alter mit Zusatzprodukten versorgt werden.

Für den Bericht wurden weltweit die aktuellen Daten zu den wichtigen Nährstoffen Vitamin A, Eisen, Jod und Folsäure zusammengetragen, er liefert exakte Schadensanalysen für 80 Entwicklungsländer, in denen insgesamt 80 Prozent der Weltbevölkerung leben. "Wir haben es mit einem Problem riesigen Ausmaßes zu tun, das bislang zu wenig wahrgenommen wird", sagte UNICEF-Direktorin Carol Bellamy. "Es geht darum, Millionen von Kindern vor schweren Gesundheitsschäden zu bewahren."

Massenhaftes Leid für Kinder - enorme Schäden für Volkswirtschaften

Rund der Hälfte der insgesamt zwei Milliarden Kinder und Erwachsenen, die an Vitamin- und Mineralstoffmangel leiden, fehlt nicht nur ein wichtiger Nährstoff, sondern mehrere. Dies führt zu schweren gesundheitlichen Belastungen für den Einzelnen, für die Angehörigen und für die Gesundheits- und Bildungssysteme. Auch die wirtschaftliche Entwicklung nahezu aller Länder auf der Südhalbkugel der Erde wird dadurch beeinträchtigt. Als weltweit besonders schwerwiegende Auswirkungen von Vitamin- und Mineralstoffmangel hebt der Bericht hervor:


  • Jodmangel verhindert in nahezu allen Entwicklungsländern, dass Kinder und Erwachsene ihr volles geistiges Potential ausschöpfen können. Auf rund zehn bis fünfzehn Prozentpunkte schätzt der Bericht den durchschnittlichen Verlust von intellektueller Kapazität. Jodmangel ist weltweit die häufigste Ursache für geistige Behinderungen bei Kindern.
  • Zu wenig Vitamin A in der Nahrung schädigt das Immunsystem von schätzungsweise 40 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren in Entwicklungsländern, etwa eine Million Kinder jährlich sterben an den Folgen. Millionen weitere leiden unter häufigen Erkrankungen und bleiben hinter ihren eigentlichen Entwicklungsmöglichkeiten zurück.
  • Eisenmangel in den ersten beiden Lebensjahren beeinträchtigt die geistige Entwicklung von 40 bis 60 Prozent aller Kinder in Entwicklungsländern. Bei Erwachsenen senkt Eisenmangel die Arbeitsproduktivität, so dass in einigen Ländern allein dadurch das Bruttoinlandsprodukt um schätzungsweise zwei Prozent vermindert wird. Schwerer Eisenmangel ist zudem Ursache für jährlich etwa 50.000 Todesfälle bei Frauen während der Schwangerschaft.
  • Ein Mangel an dem Mineralstoff Folsäure hat rund 200.000 schwere angeborene Behinderungen pro Jahr zur Folge.




Vitamin-A-Kapseln für zwei Cent pro Stück retten 300.000 Kinder jährlich
Als erfolgreiche Methoden, um Mangelzustände zu beheben, empfiehlt der Bericht die Anreicherung von wichtigen Lebensmitteln wie Salz oder Mehl sowie die zusätzliche Verteilung von Vitaminen und Mineralien in Form von preiswerten Kapseln oder Tabletten an besonders gefährdete Kinder und Frauen im gebärfähigen Alter. Aufklärung und Gesundheitserziehung sowie die Bekämpfung von Krankheiten wie Malaria, Masern, Durchfallerkrankungen und Parasiteninfektionen müssen hinzukommen. Der Bericht betont, dass mit diesen Methoden in den vergangenen zehn Jahren bereits wichtige Fortschritte erzielt wurden. So nutzen zwei Drittel aller Haushalte weltweit mittlerweile jodiertes Speisesalz. Dadurch werden annähernd 70 Millionen Neugeborene jährlich vor Beeinträchtigungen ihrer geistigen Entwicklungsmöglichkeiten geschützt. In mehr als 40 Entwicklungsländern verteilen UNICEF und andere Hilfsorganisationen hoch dosierte Vitamin-A-Kapseln an zwei Drittel aller Kinder. Schätzungsweise 300.000 von ihnen rettet dies das Leben, weitere Hunderttausende werden so vor dem Erblinden bewahrt. Zwei Vitamin-A-Kapseln reichen aus, um ein Kind ein Jahr lang zu versorgen. Eine Kapsel kostet circa zwei Cent.

Was geschehen muss:
UNICEF und die Micronutrient Initiative fordern die Lebensmittelindustrie dazu auf, mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte Lebensmittel und Nahrungsergänzungen in den Entwicklungsländern kostengünstig auf den Markt zu bringen. Die Regierungen der betroffenen Länder müssen den gesetzlichen Rahmen schaffen, damit diese Produkte überall erhältlich sind und die Bevölkerung über ihren Nutzen aufgeklärt wird. Investitionen in Gesundheits- und Bildungssysteme sowie Aufklärungsmaßnahmen über richtige Ernährung sind notwendig, weil viele Menschen in Entwicklungsländern so gut wie keine Informationen darüber haben, welche Nährstoffe sie selbst und ihre Kinder brauchen, um gesund zu bleiben.