10 Millionen Mädchen durch COVID-19 zusätzlich von Kinderheirat bedroht

New York/Wien - Am internationalen Weltfrauentag warnt UNICEF, dass die Errungenschaften des letzten Jahrzehnts – die Verhinderung von 25 Millionen Kinderehen – nun ernsthaft bedroht sind.

Zwei Mädchen - sie sind Teil einer Bewegung junger Mädchen, die gegen Kinderheirat im Niger eintreten.
„Wir haben etwas unternommen, um die Heirat einer 16-jährigen Freundin in unserem Dorf zu verhindern", Mariama (17) links, und Zeinabou (18) rechts sind Teil einer Bewegung junger Mädchen, die gegen Kinderheirat im Niger eintreten. © UNICEF

Zehn Millionen zusätzliche Kinderehen könnten bis zum Ende des Jahrzehnts geschlossen werden und die jahrelangen Fortschritte bei der Bekämpfung dieser Praxis gefährden, so eine neue Analyse, die UNICEF heute veröffentlicht hat.

„COVID-19: A threat to progress against child marriage“ (COVID-19: Eine Bedrohung für den Fortschritt im Kampf gegen Kinderehen) – veröffentlicht am Internationalen Weltfrauentag –warnt, dass Schulschließungen, wirtschaftliche Belastung, Unterbrechungen von Dienstleistungen, Schwangerschaften und der Tod von Eltern aufgrund der Pandemie die am meisten gefährdeten Mädchen einem erhöhten Risiko aussetzen, verheiratet zur werden.

Schon vor dem Ausbruch von COVID-19 waren 100 Millionen Mädchen im nächsten Jahrzehnt dem Risiko einer Kinderheirat ausgesetzt, und das obwohl die Anzahl in mehreren Ländern in den letzten Jahren deutlich gesunken ist. In den letzten zehn Jahren war der Anteil junger Frauen, die als Kinder verheiratet wurden, weltweit um 15 Prozent gesunken, von beinahe eine von vier auf eine von fünf. Das entspricht etwa 25 Millionen Ehen, die verhindert werden konnten – ein Erfolg, der nun in Gefahr ist.

„COVID-19 hat eine bereits schwierige Situation für Millionen von Mädchen noch schlimmer gemacht. Geschlossene Schulen, Isolation von Freundinnen und Freunden und Unterstützungsnetzwerken sowie steigende Armut haben Öl in ein Feuer gegossen, das die Welt ohnehin bereits kaum löschen konnte. Aber wir können und wir müssen die Kinderheirat vollständig abschaffen", sagt UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. „Der internationale Weltfrauentag ist ein wichtiger Moment, um uns daran zu erinnern, was diese Mädchen zu verlieren haben, wenn wir nicht rasch handeln – ihre Bildung, ihre Gesundheit und ihre Zukunft."   

Mädchen, die im Kindesalter heiraten, müssen mit unmittelbaren und lebenslangen Folgen rechnen. Es ist wahrscheinlicher, dass sie häusliche Gewalt erfahren und nicht die Schule weiterbesuchen. Kinderheirat erhöht das Risiko einer frühen und ungeplanten Schwangerschaft. Dies erhöht wiederum das Risiko von Komplikationen und Sterblichkeit bei Müttern. Kinderheirat kann Mädchen auch von ihren Familien und Freund*innen isolieren und sie von der Teilnahme an ihren Gemeinschaften ausschließen. Das bedroht sowohl ihre psychische Gesundheit als auch ihr Wohlbefinden.

COVID-19 hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben von Mädchen. Pandemiebedingte Reisebeschränkungen und räumliche Distanz erschweren Mädchen den Zugang zu medizinischer Versorgung, sozialen Dienstleistungen und gemeinschaftlicher Unterstützung, die sie vor Kinderehen, ungewollter Schwangerschaft und geschlechtsspezifischer Gewalt schützen. Da die Schulen geschlossen bleiben, ist es wahrscheinlicher, dass Mädchen ihre Ausbildung abbrechen und nicht zum Unterricht zurückkehren werden. Arbeitsplatzverluste und erhöhte wirtschaftliche Unsicherheit können Familien auch dazu zwingen, ihre Töchter zu verheiraten, um die finanzielle Belastung zu verringern.

Weltweit wurden schätzungsweise 650 Millionen heute lebende Mädchen und Frauen im Kindesalter verheiratet, etwa die Hälfte davon in Bangladesch, Brasilien, Äthiopien, Indien und Nigeria. Um die Auswirkungen von COVID-19 auszugleichen und die Praxis bis 2030 zu beenden – wie in den nachhaltigen Entwicklungszielen festgelegt – müssen die Fortschritte deutlich beschleunigt werden.

„Ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie sind sofortige Maßnahmen erforderlich, um die Folgen für Mädchen und ihre Familien zu mildern", fügt Fore hinzu. „Durch die Wiedereröffnung von Schulen, die Umsetzung wirksamer Gesetze und Politiken, die Sicherstellung des Zugangs zu Gesundheits- und Sozialdiensten – einschließlich geschlechtsspezifischer und fortpflanzungsmedizinischer Gesundheitsdienste – und die Bereitstellung umfassender sozialer Schutzmaßnahmen für Familien können wir das Risiko eines Mädchens, dass ihr ihre Kindheit durch Kinderheirat gestohlen wird, deutlich verringern."

Für Redaktionen

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Die vorgestellten Projektionen sind das Ergebnis eines statistischen Modells, das auf vorhandenen Informationen über die Raten und die Demografie von Kinderehen sowie auf historischen Informationen über die Auswirkungen von Bildungsunterbrechungen, wirtschaftlichen Schocks und der Wirksamkeit von Programmen in Ländern, in denen die meisten Kinderehen weltweit vorkommen, beruht. Weitere Details zu den Daten finden Sie in den technischen Hinweisen des Berichts hier.