COVID-19: 150 Millionen Kinder zusätzlich in Armut gestürzt

New York/London/Wien - UNICEF und Save the Children: Neue Analysen zeigen, dass die Zahl der Kinder, die in multidimensionaler Armut leben – ohne Zugang zu Bildung, Gesundheitsdiensten, Wohnmöglichkeiten, Nahrung, sanitären Einrichtungen oder Wasser – seit Beginn der Pandemie um 15 Prozent gestiegen ist.

6. August 2020: Die Psychologin Olena Davydova (links) trifft sich mit einer Familie in Bilokurakyno, Ostukraine. Es wird erwartet, dass die Armutsrate in der Ukraine im Jahr 2020 deutlich ansteigen wird. Die wirtschaftliche Krise wird die verheerendsten Auswirkungen auf gefährdete Gruppen haben, insbesondere auf Haushalte mit Kinder
6. August 2020: Die Psychologin Olena Davydova (links) trifft sich mit einer Familie in Bilokurakyno, Ostukraine. Es wird erwartet, dass die Armutsrate in der Ukraine im Jahr 2020 deutlich ansteigen wird. Die wirtschaftliche Krise wird die verheerendsten Auswirkungen auf gefährdete Gruppen haben, insbesondere auf Haushalte mit Kindern. © UNICEF

Laut einer neuen Analyse von UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, und Save the Children ist die Zahl der Kinder, die in multidimensionaler Armut leben, aufgrund der COVID-19-Pandemie auf rund 1,2 Milliarden angestiegen. Dies entspricht seit dem Ausbruch der Pandemie Anfang dieses Jahres einem Anstieg von 15 Prozent oder 150 Millionen zusätzlichen Kindern, die in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen in Armut leben.

Die multidimensionale Armutsanalyse stützt sich auf Daten über den Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum, Ernährung, sanitären Einrichtungen und Wasser aus mehr als 70 Ländern. Sie macht deutlich, dass rund 45 Prozent der Kinder in den untersuchten Ländern vor der Pandemie bei mindestens einem dieser kritischen Bedürfnisse stark benachteiligt waren.

Obwohl die Analyse bereits ein düsteres Bild zeichnet, warnt UNICEF davor, dass sich die Situation in den kommenden Monaten wahrscheinlich verschlechtern wird. Save the Children und UNICEF haben sich verpflichtet, diese sich entwickelnde Situation weiterhin zu beobachten und mit Regierungen und der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, um ihr entgegenzutreten.

„COVID-19 und die Lockdown -Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus haben Millionen Kinder noch tiefer in die Armut gestürzt", sagt Henrietta Fore, UNICEF-Exekutivdirektorin. „Familien, die kurz davor waren, der Armut zu entkommen, wurden wieder in die diese zurückgedrängt, während andere ein noch nie dagewesenes Ausmaß an Not erfahren. Am besorgniserregendsten ist, dass wir noch eher am Beginn dieser Krise stehen als an ihrem Ende."

Der Bericht stellt fest, dass Kinderarmut viel mehr als nur ein Geldwert ist. Obwohl Messgrößen für monetäre Armut, wie das Haushaltseinkommen, wichtig sind, geben sie nur einen unvollständigen Einblick in die Notlage von Kindern, die in Armut leben. Um das volle Ausmaß von Kinderarmut zu verstehen, müssen alle potenziellen Beeinträchtigungen direkt analysiert werden. Dies weist auch auf die Notwendigkeit hin, eine sektorübergreifende Politik in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Ernährung, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie Wohnungsnot umzusetzen, um die mehrdimensionale Armut zu beenden.

Sozialer Schutz, integrative Steuerpolitik, Investitionen in soziale Dienste sowie Beschäftigungs- und Arbeitsmarktinterventionen zur Unterstützung von Familien sind entscheidend, um Kinder aus der Armut zu befreien und weitere Katastrophen zu verhindern. Dazu gehören die Ausweitung des Zugangs zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung und die Bereitstellung der Instrumente und Technologien, die Kinder benötigen, um ihre Ausbildung aus der Ferne fortzusetzen, sowie Investitionen in familienfreundliche Maßnahmen wie bezahlten Urlaub und Kinderbetreuung.

Diese Pandemie hat bereits den größten globalen Bildungsnotstand der Geschichte verursacht und die Zunahme der Armut wird es für die am stärksten gefährdeten Kinder und ihre Familien sehr schwer machen, den erlittenen Verlust auszugleichen", sagt Inger Ashing, CEO von Save the Children. „Kinder, die bei der Bildung den Kürzeren ziehen, werden mit größerer Wahrscheinlichkeit zu Kinderarbeit oder Kinderehen  gezwungen und sind auf Jahre hinaus in einem Teufelskreis von Armut gefangen. Wir können es uns nicht leisten, eine ganze Generation von Kindern Opfer dieser Pandemie werden zu lassen. Nationale Regierungen und die internationale Gemeinschaft müssen sich dafür einsetzen, den Schicksalsschlag zu mildern."

Es gibt nicht nur mehr Kinder, die von Armut betroffen sind als früher, sondern die ärmsten Kinder werden auch ärmer, stellt der Bericht fest. Einige Kinder können eine oder mehrere Benachteiligungen erleiden, während andere überhaupt keine erfahren. Aus diesem Grund kann die durchschnittliche Zahl der Nöte, die pro Kind erlitten werden, zur Beurteilung der Armut von Kindern herangezogen werden. Vor der Pandemie lag die durchschnittliche Anzahl schwerer Benachteiligungen pro Kind bei etwa 0,7. Heute schätzt man, dass sie um 15 Prozent auf etwa 0,85 angestiegen ist.

„Wir müssen jetzt handeln, um zu verhindern, dass weitere Kinder in ihren grundlegenden Lebensbedürfnissen wie Bildung, medizinische Versorgung, Nahrung, Wasser und Obdach benachteiligt werden", sagt Fore. „Die Regierungen müssen den am stärksten benachteiligten Kindern und ihren Familien Priorität einräumen, und zwar durch eine rasche Ausweitung der Sozialschutzsysteme, einschließlich Geldtransfers und Kindergeld, Möglichkeiten für Fernunterricht, Gesundheitsdienste und Schulspeisungen. Wenn diese entscheidenden Investitionen jetzt getätigt werden, kann dies den Ländern helfen, sich auf zukünftige Krisen vorzubereiten."

Für Redaktionen

Um die Bedürftigkeit von Kindern vor der Pandemie und heute zu ermitteln, untersuchten UNICEF und Save the Children, wie viele Kinder von jedem Indikator multidimensionaler Armut betroffen waren und verglichen diese mit der Kinderpopulation in den analysierten Ländern.

Über Save the Children
Save the Children glaubt an eine Welt, in der alle Kinder überleben, die Chance haben zu lernen und vor Missbrauch, Vernachlässigung und Ausbeutung geschützt werden. Durch unsere Arbeit in rund 117 Ländern erreichen wir die am meisten benachteiligten und ausgegrenzten Kinder und helfen ihnen, zu überleben, zu lernen und geschützt zu werden.