UNICEF warnt: Kinder in Afrikas Dürreregionen sind nur „eine Krankheit von der Katastrophe entfernt“

New York/Nairobi/Dakar/Wien - Die Zahl der von der Dürre in Äthiopien, Kenia und Somalia betroffenen Menschen, die keinen ungehinderten Zugang zu sauberem Wasser haben, ist innerhalb von fünf Monaten von 9,5 Millionen auf 16,2 Millionen angestiegen. Die Kinder in der Sahelzone sind extrem gefährdet.

Ein Junge sammelt das wenige Wasser, das er aus einem wegen der Dürre ausgetrockneten Fluss holen kann. Somalia 2022
Ein kleiner Junge sammelt das wenige Wasser, das er aus einem wegen der großen Dürre ausgetrockneten Fluss holen kann. Somalia. 1. März 2022 © UNICEF

Kinder am Horn von Afrika und in der Sahelzone könnten in verheerender Menge sterben, wenn nicht dringend Hilfe geleistet wird. Schwere Mangelernährung und die Gefahr von Krankheiten, die durch Wasser übertragen werden, prallen aufeinander – warnt UNICEF anlässlich der Weltwasserwoche.

„Die Geschichte zeigt, dass die Kindersterblichkeit dramatisch – und tragisch – ansteigt, wenn ein hohes Maß an schwerer akuter Mangelernährung bei Kindern mit tödlichen Krankheitsausbrüchen wie Cholera oder Diarrhöe zusammenfällt. Wenn Wasser entweder nicht zur Verfügung steht oder verunreinigt ist, vervielfachen sich die Risiken für Kinder exponentiell", sagt UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „Am Horn von Afrika und in der Sahelzone sind Millionen Kinder nur eine Krankheit von einer Katastrophe entfernt."

Die Zahl der von der Dürre betroffenen Menschen in Äthiopien, Kenia und Somalia, die keinen gesicherten Zugang zu sauberem Wasser haben, stieg von 9,5 Millionen im Februar auf 16,2 Millionen im Juli. Dadurch sind die Kinder und ihre Familien einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, an Krankheiten wie Cholera und Durchfall zu erkranken1.

In Burkina Faso, Tschad, Mali, Niger und Nigeria sind Dürre, Konflikte und Unsicherheit die Hauptursachen für den Wassermangel. 40 Millionen Kinder sind in hohem bis extrem hohem Maße von Wassermangel bedroht2. Nach den neuesten Daten der WHO sterben in der Sahelzone bereits mehr Kinder an den Folgen unzureichender Wasser- und Sanitärversorgung als in jedem anderen Teil der Welt.  

Die meisten Menschen am Horn von Afrika sind auf Wasser angewiesen, das von Händler*innen auf Lastwagen oder Eselskarren geliefert wird. In den am stärksten von der Dürre betroffenen Gebieten ist Wasser für viele Familien nicht mehr bezahlbar3.

  • In Kenia sind die Preise in 23 Provinzen erheblich gestiegen, in Mandera um 400 Prozent und in Garissa um 260 Prozent im Vergleich zum Januar 2021.

  • In Äthiopien hat sich der Wasserpreis im Juni dieses Jahres in Oromia verdoppelt und in Somali um 50 Prozent erhöht, verglichen mit dem Beginn der Dürre im Oktober 2021.  

  • In Somalia stiegen die durchschnittlichen Wasserpreise in Süd-Mudug um 85 Prozent und in Buurhakaba und Ceel Berde um 55 bzw. 75 Prozent im Vergleich zu den Preisen im Januar 2022.

Mehr als 2,8 Millionen Kinder in beiden Regionen leiden bereits an schwerer akuter Mangelernährung. Das bedeutet, dass sie ein bis zu 11-mal höheres Risiko haben, an durch Wasser übertragenen Krankheiten zu sterben, als gut ernährte Kinder.                                                                                                 

In Somalia wurden in fast allen von der Dürre betroffenen Distrikten Ausbrüche von akuter wässriger Diarrhöe und Cholera gemeldet. Die zwischen Januar und Juni gemeldeten 8.200 Fälle waren mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Fast zwei Drittel der Betroffenen sind Kinder unter fünf Jahren. Zwischen Juni 2021 und Juni 2022 haben UNICEF und seine Partner in den am stärksten von der Dürre betroffenen Regionen Äthiopiens – Afar, Somalia, SNNP und Oromia – mehr als 1,2 Millionen Fälle von Durchfallerkrankungen bei Kindern unter fünf Jahren behandelt. In Kenia sind über 90 Prozent der offenen Wasserquellen – wie Teiche und offene Brunnen – in den von der Dürre betroffenen Gebieten entweder erschöpft oder ausgetrocknet. Dies stellt ein ernsthaftes Risiko neuer Krankheitsausbrüche dar.

In der gesamten Sahelzone ist die Wasserverfügbarkeit in den letzten 20 Jahren aufgrund des Klimawandels und komplexer Faktoren wie Konflikten ebenfalls um mehr als 40 Prozent zurückgegangen. Dadurch sind Millionen Kinder und Familien einem erhöhten Risiko von durch Wasser übertragenen Krankheiten ausgesetzt. Erst im vergangenen Jahr gab es in West- und Zentralafrika den schlimmsten Choleraausbruch der letzten sechs Jahre, mit 5.610 Krankheits- und 170 Todesfällen in der zentralen Sahelzone.

UNICEF leistet am Horn von Afrika und in der Sahelzone lebensrettende Hilfe für Kinder und ihre Familien, die in großer Not sind. Dazu gehören die Verbesserung des Zugangs zu klimaresistenten Wasser-, Sanitär- und Hygienediensten, die Erschließung verlässlicher Grundwasserquellen und die Entwicklung von Solarsystemen, die Erkennung und Behandlung von mangelernährten Kindern sowie die Ausweitung von Präventionsdiensten.

Der UNICEF-Appell zur Verbesserung der langfristigen Widerstandsfähigkeit von Familien in der Region am Horn von Afrika – und zur Verhinderung von Dürrekatastrophen in den kommenden Jahren – ist derzeit nur zu drei Prozent finanziert. Davon sind fast keine Gelder für den Bereich Wasser, Sanitärversorgung und Klimaresilienz eingegangen. Der Aufruf für die zentrale Sahelzone, die Bedürfnisse gefährdeter Kinder und Familien mit Wasser-, Sanitär- und Hygieneprogrammen zu erfüllen, ist nur zu 22 Prozent finanziert.

„Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich dazwischen entscheiden, ob Sie Brot oder Wasser für ein hungriges, durstiges und bereits krankes Kind kaufen, oder dazwischen, ob Sie Ihr Kind an extremem Durst leiden lassen oder es verunreinigtes Wasser trinken lassen, das tödliche Krankheiten verursachen kann", so Russell. „Die Familien in den von der Dürre betroffenen Regionen werden vor unmögliche Entscheidungen gestellt. Die einzige Möglichkeit, diese Krise zu stoppen, besteht darin, dass Regierungen, die Geber*innen und die internationale Gemeinschaft die Mittel aufstocken, um den dringendsten Bedarf der Kinder zu decken, und langfristige, flexible Unterstützung bereitzustellen, um den Kreislauf der Krise zu durchbrechen."

Für Redaktionen

1 Wassersicherheit ist die Fähigkeit einer Bevölkerung, den nachhaltigen Zugang zu Wasser in ausreichender Menge und akzeptabler Qualität zu gewährleisten, um den Lebensunterhalt, das menschliche Wohlergehen und die sozioökonomische Entwicklung zu sichern, den Schutz vor wasserbedingter Verschmutzung und wasserbedingten Katastrophen zu gewährleisten und die Ökosysteme in einem Klima des Friedens und der politischen Stabilität zu erhalten. Wasserunsicherheit liegt vor, wenn eines oder alle dieser Bedürfnisse nicht erfüllt werden können. 

2 Die Anfälligkeit für Wasserknappheit bezieht sich auf die physischen Risiken der Wasserknappheit (Grundwasserstress, inter- und saisonale Schwankungen, Grundwasserrückgang und Dürren) und das Niveau der Wasserdienstleistungen.

3 Quellen sind u. a. Berichte von WASH-Clustern, Anbieter*innen und anekdotische Hinweise aus betroffenen Gemeinden.

Über die Weltwasserwoche

Die Weltwasserwoche ist die führende Konferenz zu globalen Wasserfragen und findet seit 1991 jedes Jahr statt. Die Non-Profit-Veranstaltung wird gemeinsam mit führenden Organisationen organisiert und zieht eine bunte Mischung von Teilnehmer*innen aus vielen verschiedenen Berufsgruppen und allen Teilen der Welt an. Gemeinsam entwickeln wir Lösungen für die größten wasserbezogenen Herausforderungen der Welt, wobei die Themen von Ernährungssicherheit und Gesundheit bis hin zu Landwirtschaft, Technologie, biologischer Vielfalt und Klimakrise reichen.

Eine Auswahl an Videos und Fotos steht Redaktionen im Rahmen der Berichterstattung zum kostenfreien Download zur Verfügung.
Mehr Informationen über UNICEF Solarbetriebene Wasserpumpen für Malawi finden Sie hier: https://unicef.at/hilfsprojekte-weltweit/hilfsprojekte-in-afrika/unicef-in-malawi/